Stadtgeschichte Eriador

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niborb
Herold
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Hallo liebe Elder,

im Anschluss an diese Einleitung kommt eine "kleine" Geschichte die den Umbau der Stadt zum Thema hat. Dabei geht die Story auch stark auf die Herr der Ringe Welt ein, für manche Leser mag das ungewohnt sein. Als Hilfestellung existiert eine Legende, die die wichtigesten Sachen kurz erklärt.
Nehmt euch deshalb bitte ein paar Minuten Zeit wenn ihr alles lesen wollt, es wird ein wenig dauern :-)

Sofern ihr Fragen / Kritiken etc. habt, bitte nicht hier drunter schreiben sondern in diesem Beitrag: [ilink=index.php/Thread/11425-Feedback-zur-Stadtgeschichte/]Feedback zur Stadtgeschichte[/ilink]

Wie werden diese Geschichte in mehreren Abschnitten posten, etwa jede Woche wird ein neuer Beitrag kommen. (es kann aber auch mal ein oder zwei Tage länger dauern, ich bitte da um Verständnis)

Hinweis: Diese Storys wurde nicht von mir geschrieben sondern von @Melkor_0 zur Verfügung gestellt. Er oder ich selbst werden diese Beiträge hier posten.
Legende

Städte
Khazad Dûm: Das größte Zwergenreich in den Nebelbergen.
Lothlorien: Der goldene Elbenwald.
Caras Galadhon: Die Hauptstadt Lothlorien, Heimat von Celeborn und Galadriel.
Dol Guldur: Die Nördlichste Festung des dunklen Herrscher, Sitz des zweiten der Ringeister

Personen:
Haldir: Anführer der Grenzwächter Lothloriens
Galadriel: Regentin von Lothlorien, Herrin des Lichts
Celeborn: Gemahl von Galadriel und Regent von Lothlorien
Galadhrim: Die Elitären Soldaten Lothloriens
Narin III. König des Reichs von Khazad Dûm
Der zweite der Ringgeister: Khamûl, auch als Schatten des Ostens bekannt, Statthalter von Dol Guldur

Wesen:
Nazgul: Auch Ringgeister genannt, sind die Stellvertreter des dunklen Herrschers.
Warge: Wolfsähnliche Wesen, die den dunklen Horden als Reittiere dienen.
Trolle: Große Fleischbrocken mit entsetzlicher Kraft

Täler, Flüsse, Gebirge:
Schattenbachtal: Gehörend zum Einflussgebiet des Königs von Khazad Dums. Quellort des Celebrant
Celebrant: Kleiner Fluss dessen Quelle im Schattenbachtal liegt.
Nebelberge: Großer Gebirgszug
Charachterübersicht
Protagonisten

Amros Terrethil - ein Mitglied der Grenzwächter des Waldelbenreiches, der vorzugsweise mit Schwert oder Bogen kämpft. Amros stammt aus einer der ärmeren Familien der Waldelben, die aufgrund einer jahrtausendealten Schmach vom Hofe der Elbenherrscher verstoßen wurde. Daher ist Amros in allem was er tut darum bemüht, den Ruf seiner Vorfahren wiederherzustellen und sich als ehrenhaft zu beweisen.

Borin, Sohn des Brór - Kommandant der Streitkräfte des Zwergenreiches und Veteran vieler Schlachten. Er besitz einen tief sitzenden Sinn für Gerechtigkeit, wirkt jedoch auf die, die ihn nicht gut kennen, meist mürrisch und abweisend. Er würde alles dafür tun, seine Heimat in Sicherheit zu wissen. Obwohl er einen Anspruch auf den Thron der Zwerge hätte, lehnt er diesen ab.



Weitere wichtige Personen


Narin II, König der Zwerge - Borins älterer Bruder und Herrscher des Zwergenreiches. Ein gerechter und gütiger König, der von seinen Untergebenen nichts einfordert, was er nicht auch selbst zu tun bereit ist. Er erfreut sich bei seinem Volk großer Beliebtheit.

Nali, Sohn des Narin - Prinz der Zwerge und Thronfolger Narins. Arrogant und selbstsüchtig strebt er stets danach, seinen eigenen Ruhm zu mehren, ohne jedoch selbst Hand anlegen zu müssen. Er steht oft im Konflikt mit seinem Onkel Borin.

Mírien Varathlinn - eine junge Elbenspäherin, die zwar noch recht unerfahren ist, dafür jedoch mutig und unerschrocken für ihr Volk kämpft. Ihrem scharfen Auge und ihrer talentierten Auffassungsgabe entgeht nur wenig. Allerdings verliert sie in hektischen Situationen und im Gefecht oft die Übersicht, was sie in Schwierigkeiten geraten lässt.

Vallena Serecar - eine Schatzsucherin, die sich auf das Entschlüsseln von uralten Rätseln spezialisiert hat. Sie verfolgt seit Jahren die Spur eines mystischen Drachenhortes, der irgendwo im höchten Gebirge der Welt versteckt sein soll.



Antagonisten


Rodhrukar der Lodernde - ein Drache, der sich in seinem Versteck tief im Gebirge von den Verletzungen im Kampf gegen einen Artgenossen erholt und dabei Pläne schmiedet, um den Untergang der Zwerge herbeizuführen.

Korruk Schwarzschild - Anführer der Orks, die in den Bergen nördlich des Zwergenreiches leben und einflussreichster Diener des Drachen. Herrscht über sein Volk mit eiserner Faust.

Glynn Grollfaust - Häuptling der wilden Menschen von Dunland, der einen besonderen Hass auf die Elben hegt. Er sammelt die abgeschnittenen Ohren seiner Opfer an einem grausigen Gürtel, den er über der Schulter trägt.
1. Der Fall von Lothlorien


Die Probleme begannen mit der Ankunft des Zwerges. Borin, Sohn Brórs nannte er sich, Gesandter des Zwergenkönigs von Khazad-dûm. Amros, der an jenem Tag unter dem Kommando Haldírs an der Grenze zum Schattenbachtal gewacht hatte, hatte gleich ein schlechtes Gefühl dabei gehabt, als er die breitschultrige Gestalt des Zwerges auf der Straße jenseits des Celebrant erspäht hatte. Zwar bestand eine recht freundschaftliche Beziehung zwischen den Elben des Goldenen Waldes und dem Zwergenreich König Narins III., doch abgesehen von einigen fahrenden Händlern kamen nur selten Zwerge nach Lothlórien, schon gar nicht solche, die so schwer gerüstet waren wie Borin. Der Gesandte von Khazad-dûm war in eine eiserne Rüstung gehüllt und führte zwei große Äxte mit sich, die links und rechts an seinem Gürtel hingen. Und Amros war der Meinung, dass der Zwerg seine Waffen vermutlich benutzen würde,
wenn man ihn nicht einlassen würde.
Borin brachte schlechte Nachrichten. Ein Ork-Heer sammelte sich im Gebirge nördlich des Zwergenreiches, und wenn die neusten Berichte der Kundschafter, die König Narin ausgesandt hatte, stimmten, dann waren die Orks bereits unterwegs - in Richtung Lothlórien. Der Zwergenkönig hatte umgehend befohlen, die Streitmacht Khazad-dûms zur Heerschau zu rufen, doch das würde Zeit brauchen. Sobald das Zwergenheer bereit wäre, würde es den Elben zur Hilfe eilen, doch im Augenblick war Lothlórien auf sich allein gestellt.

Amros überbrachte die Neuigkeiten an Haldír, dessen Wachposten sich ganz in der Nähe der Straße befand. Dort ließ er den Gesandten der Zwerge zurück, denn Borin bestand darauf, an der Grenze des Goldenen Waldes auf die Ankunft des Zwergenheeres zu warten und in der Zwischenzeit bei der Verteidigung zu helfen. Auch wenn einige der elbischen Grenzwächter Einwände dagegen hatten, beugten sie sich dem Befehl Haldírs, der Borin freundlich willkommen hieß und Amros auf schnellstem Wege nach Caras Galadhon entsandte, um die Hauptstadt des Elbenreiches vor dem Angriff zu warnen. Und so machte sich Amros auf den Weg dorthin.

Vor dem Tor Caras Galadhons erwartete ihn eine Überraschung: Das Heer der Elben des Goldenen Waldes war bereits einberufen worden und nahm zwischen den Baumstämmen südlich der Stadt Aufstellung an. Als Amros einen der elbischen Hauptleute danach fragte, teilte man ihm mit, dass Späher am Rande des Düsterwaldes große Truppenbewegungen in der Nähe der dunklen Festung Dol Guldur entdeckt hatten und dass befürchtet wurde, dass ein Angriff von Osten kurz bevorstand. Das Elbenheer sollte nun an der Ostgrenze Lothlóriens Aufstellung beziehen und sich in Bereitschaft halten.
Ein gleichzeitiger Angriff von Dol Guldur und aus dem Nebelgebirge? Das kann kein Zufall sein! dachte Amros zutiefst besorgt, während er die Nachricht Haldírs weiterleitete.
“Die Grenzwächter werden den Angriff aus dem Gebirge abwehren,” erhielt er als Antwort. “Die Bedrohung aus Dol Guldur ist größer als angenommen. Wir werden alle verfügbaren Streitkräfte hier bei der Hauptstadt brauchen.”
Amros war nur ein einfacher Grenzwächter und besaß keine Befehlsgewalt. Dennoch äußerte er seine Bedenken, doch es gelang ihm nicht, den elbischen Kommandanten davon zu überzeugen, Verstärkung zu Haldir und Borin zu entsenden.

Ehe Amros sich Gedanken darüber machen konnte, was er nun tun sollte, erklang ein warnender Hornstoß von Osten, vom Flussufer. “Der Feind ist da!”
Rasch schwenkte das Elbenheer um und bezog auf der bewaldeten Fläche zwischen Caras Galadhon und dem Ufer des Anduins Stellung. Angespitzte Pfähle waren dort in den Boden gerammt worden und einige Barrikaden waren errichtet worden. Amros bewaffnete sich mit Pfeilen, Bogen und einem Schwert und reihte sich bei den Bogenschützen ein, die außerhalb der grünen Mauer Caras Galadhons aufgereiht standen. Als die ersten dunklen Gestalten am Flussufer zu sehen waren, legte jeder Bogenschütze einen Pfeil auf die Sehne. In perfekter Übereinstimmung schossen sie ihre befiederten Projektile ab. Eine Pfeilsalve fegte die vordersten Reihen der Orks hinweg, die gerade die Böschung am Ufer erkletterten. Erneut luden die Bogenschützen nach, und erneut feuerten sie.
Doch die Zahl der Angreifer schien keine Grenzen zu haben. Wie eine unerschöpfliche Flut strömten sie über den Anduin hinweg, wo behelfsmäßige Brücken errichtet worden waren. Und sie waren nicht alleine. Große Spinnen und Warge tauchten zwischen ihnen auf und drängten vorwärts, und sogar einige gerüstete Trolle stürmten mit Gebrüll voran. Krachend trafen sie auf die vorderste Schlachtreihe der Elben, die in disziplinierter Haltung Schild und Speer vorwärts hielten. Der Schildwall hielt dem ersten Ansturm stand und erneut sausten Pfeilsalven über die Köpfe der Elben hinweg und schlugen unter den Truppen Dol Guldurs ein. Und doch genügte das nicht, um den Angriff zu brechen. Denn kein einfacher Ork-Häuptling führte sie an, sondern der Zweite unter den Ringgeistern, der auf einem geflügelten Schatten durch die Lüfte rauschte und Schrecken verbreitete. Wohin der Schatten kam, verzagten selbst die Herzen der tapfersten Elbenkrieger und der Schildwall begann zu bröckeln. Trolle brachen durch die Reihen und stifteten Verwüstung und Chaos. Warge und Spinnen warfen Elben zu Boden und töteten sie mit raschen Bissen.
Aber am Ende gelang es den Verteidigern des Goldenen Waldes, standzuhalten. Pfeile fällten Trolle, Warge und Spinnen und zwangen das Reittier des Ringgeists zum Rückzug. Mit dem Fehlen der düsteren Präsenz über ihren Köpfen schöpften die Galadhrim trotz ihrer Verluste neuen Mut, während die Orks verzagten. Und so trat das Heer aus Dol Guldur die Flucht an.

Amros hatte seinen Köcher vollständig geleert, als die Orks die Flucht ergriffen. Er war unverletzt geblieben, doch vielen anderen war es deutlich schlechter ergangen. Dutzende Elben waren gestorben und noch mehr waren schwer verwundet worden.
Und ihr Unglück sollte kein Ende nehmen. Botschaften von der Nordgrenze trafen ein. Ein zweites Heer war aus dem Gebirge gekommen und hatte die Grenzwächter überwältigt. Es hieß, der Zwerg Borin habe tapfer gekämpft und eine große Anzahl Orks erschlagen, doch schließlich war er zum Rückzug nach Khazad-dûm gezwungen worden. Die wenigen Überlebenden des Gefechts an der Nordgrenze sagten, er habe ihnen noch zugerufen, dass er mit Verstärkung aus Moria zurückkehren würde, doch das war nur ein schwacher Trost. Die Zwerge würden zu spät kommen. Am Ostufer des Anduins lauerten die Reste des Heeres von Dol Guldur und von Norden und Westen strömten nun die Orks des Nebelgebirges durch den Goldenen Wald. Eine Entscheidung musste getroffen werden - und nach einer kurzen Besprechung der elbischen Anführer gab es eine.
„Rückzug! Rückzug! Alle Galadhrim zur Südgrenze! Wir geben diese Stellung auf!“
Amros konnte kaum glauben, was er da hörte. Er versuchte, Einwände zu erheben, doch jemand von seinem Stand konnte kaum darauf hoffen, angehört zu werden. Er konnte den Rückzug nicht aufhalten. Trotz der Eile verlief die Evakuierung größtenteils glatt. Ehe die Orks von Norden die Hauptstadt erreichten, hatten sie die allermeisten Elben südlich des Celebrant-Flusses versammelt und waren dabei, ihre Heimat zu verlassen. Als das letzte Hornsignal ertönte, setzten sich die Galadhrim in Bewegung und hasteten südwärts, in Richtung Rohans. Amros war sich nicht sicher, ob er sein Zuhause, den Goldenen Wald, jemals wiedersehen würde...
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2.Die Schlacht um Khazad Dûm

Borin fluchte und hastete vorwärts, den Blick stur auf die sich vor ihm in die Höhe türmenden Gebirgsgipfel geheftet. Er kam zu langsam voran, das wusste er. Und doch wollte und konnte er nicht aufgeben. Khazad-dûm musste gewarnt werden.
Schweiß tropfte ihm von der Stirn und er wischte ihn mit dem Handrücken beiseite. Borin hatte an den Grenzen des Elbenwaldes wie ein Berserker gegen die Orks des Nebelgebirges gekämpft, doch selbst er hatte am Ende einsehen müssen, dass die Lage hoffnungslos geworden war. Es waren einfach zu viele der finsteren Kreaturen gewesen. Die elbischen Grenzwächter hatten große Mengen des schwarzen Ork-Blutes vergossen, ehe sie unter schweren Verlusten den Rückzug nach Süden angetreten hatten. Borin hatte versprochen, die Heere der Zwerge zur Hilfe zu entsenden, doch dafür musste er zunächst einmal unbeschadet nach Khazad-dûm gelangen. Sein Bruder, König Narin III, war seit einiger Zeit darüber im Klaren, dass die Orks des Gebirges sich rührten und einen Überfall vorbereiteten, doch obwohl die Kriegsvorbereitungen der Zwerge unverzüglich begonnen hatten, war sich Borin nicht sicher, ob seine Heimat bereit war, mit der gesamten Macht des Zwergenreiches in einen Krieg zu ziehen.
Aus der Schlacht an der Nordgrenze des Goldenen Waldes hatte Borin mehrere kleinere Verletzungen davongetragen, die ihn jedoch nicht sonderlich behinderten. Stattdessen machten sie ihn wütend, da sie sie ihn daran erinnerten, dass er keineswegs unverwundbar war. Er trug eine meisterlich geschmiedete Rüstung nach Zwergenart, die trotz des massiven Schutzes, den sie ihm bot, dennoch leicht genug war, um im Kampf beweglich zu bleiben. Und dennoch war es einigen seiner Feinde gelungen, Schaden anzurichten.

Hastig warf er einen Blick zurück ins Tal, das hinter ihm lag. Der eilige Aufstieg die Straße von Lothlórien nach Khazad-dûm hinauf durch das Schattenbachtal hatte Borin viel Kraft gekostet und er spürte, wie er zu ermüden begann. Das hohe Tempo würde er nicht länger durchhalten können. Und zu allem Überfluss sah er in jenem Augenblick seine Verfolger am unteren Ende des Tales auftauchen. Die kleinwüchsigen Orks des Nebelgebirges in ihren mit unzähligen scharfen Zacken besetzten Rüstungen und grotesken Helmen schwärmten dort aus, immer auf der Spur des Zwerges der es gewagt hatte, sich ihnen zu entziehen. Sie würden die Jagd nicht aufgeben, bis sie ihre Beute eingeholt hätten, das wusste Borin nur allzu gut. Ein einzelner Gebirgsork stellte kaum mehr als ein kleines Ärgernis für einen Zwergenkrieger wie Borin dar, doch leider kamen die Bewohner der Tiefen nur selten alleine. Wenn die Orks des Nebelgebirges in den Krieg zogen, taten sie es in gewalten Massen, die ihre Feinde mit einem Meer aus Klingen schier überschwemmten.
Die Verfolger kamen näher, während Borin mit letzter Kraft zum Endspurt ansetzte. Beinahe hatte er das untere Ende der gigantischen Treppe erreicht, die zum östlichen Festungstor hinaufführte und die von gewaltigen Befestigungsanlagen auf beiden Seiten gesichert war. Doch die Orks waren inzwischen bis auf wenige Meter an ihn herangekommen. Verzweifelt warf der Zwergenkrieger sich vorwärts, nach Luft schnappend, als ihn ein stählernes Geschoss um Haaresbreite verfehlte. Völlig außer Atem blieb Borin auf der untersten Stufe liegen.
Er hatte es gerade noch rechtzeitig in Sicherheit geschafft. Über ihm rauschten die Pfeile der zwergischen Verteidiger hinweg und warfen die vordersten Orks zurück. Viele der widerlichen Kreaturen stürzten tödlich getroffen zu Boden. Gewaltige Wehrgänge ragten an beiden Seiten des Tores an den Bergflanken hinauf und schufen so einen leicht zu verteidigenden Korridor des Todes, den alle Angreifer auf ihrem Weg zum Festungstor durchqueren mussten. Das Tor selbst war geöffnet, und die Wächter von Khazad-dûm strömten heraus. Zwei von ihnen packten Borin und schleppten ihn mit sich, während der Rest dafür sorgte, dass kein Ork die Treppenstufen lebend betrat. Der erste Angriff war abgewehrt worden.

Jenseits des Tores wurde Borin von König Narin und dessen Sohn Nali erwartet. Beide trugen prächtige, schwere Rüstungen nach Zwergenart und waren mit meisterlich geschmiedeten Äxten bewaffnet. Nachdem Borin wieder zu Atem gekommen war, berichtete er dem König hastig von den Ereignissen in Lothlórien. Viel Zeit zur Vorbereitung blieb ihnen jedoch nicht, denn kaum hatte Borin seinen Bericht beendet, brachte ein Bote von den Wehrgängen die Alarmmeldung, dass die Orks einen erneuten Angriff wagten.
Borin folgte König Narin und Prinz Nali auf den Wehrgang, der südlich des Tores lag. Große Speerschleudern und zwergische Katapulte waren auf den Mauern montiert worden und nahmen die finstere Horde mit großen Erfolg unter Beschuss, die sich am unteren Rand der großen Treppe sammelte. Doch obwohl jeder Pfeil, Bolzen und Felsbrocken, der in die Masse der Orks krachte große Opfer forderte, schien die Anzahl der Orks kaum abzunehmen. Für jeden getöteten Feind schienen zwei neue Orks seinen Platz einzunehmen und ihr Ansturm nahm kein Ende. Schon hatten sie die Wächter des Tores bis zur Hälfte in den Korridor vor dem Tor zurückgedrängt, und wagten nun auch erste Vorstöße auf die Wehrgänge. Wie übergroße Insekten krabbelten die Orks an den Mauern hinauf und kletterten über die Zinnen, um die zwergischen Verteidiger anzugreifen. Auch Borin und der König bekamen es nun mit Feinden zu tun und stürzten sich in den Kampf. Hin und her wogte die Schlacht auf den Wehrgängen, doch gleichzeitig wurden die Wächter des Tores Schritt für Schritt zurückgedrängt, denn die Zahl der Orks im Korridor wuchs mit jeder versttrichenen Minute an.
"Wir müssen zum Tor!" rief der König und befahl Borin und seinem Sohn, mit ihm zu gehen. Rasch eilten sie durch die unterirdischen Gänge der Befestigungen und erreichten bald darauf die große Halle, die direkt hinter dem Tor lag. Schwer bewaffnete Gardisten des Königs erwarteten die und nahem König Narin in ihre Mitte. Dieser stieß einen gewaltigen Schlachtruf in der Sprache von Khazad-dûm aus und gab den Befehl zum Gegenangriff. Einem mächtigen Hammerschlag gleich krachten Narin und sein Gefolge in die Reihen der vordersten Orks vor dem Tor und ermöglichten es den überlebenden Torwächtern, sich in die Halle dahinter zurückzuziehen.
"Schließt das Tor!" befahl der König, und sogleich eilten Zwerge los, um die gewaltigen Mechanismen in Gang zu setzen, die die riesigen Torflügel bewegten.
"Was tut ihr?" rief Borin ihnen hinterher. "Der König ist noch dort draußen!"
Das Tor begann sich zu schließen, doch Narin machte keine Anstalten, sich zurückzuziehen. Borin drängte sich durch die Zwerge jenseits des Tores, bis er genau auf der großen Schwelle stand. Er sah, wie Narin mit einem mächtigen Hieb einen Ork in zwei Teile spaltete und wollte ihm zur Hilfe eilen, da drehte sich der König zu ihm herum.
"Ich halte diese Scheusale auf, bis das Tor geschlossen ist," rief Narin grimmig.
"Aber... mein König!" wagte Borin zu erwidern.
"Kein Aber! Dies ist mein Befehl. Sieh zu dass sich das Tor endlich schließt! Und sorge dafür, dass Khazad-dûm nicht fällt! Ich zähle auf dich, Borin."
Borin blieb jegliche Antwort im Hals stecken. Er wusste, dass es keinen Zweck hatte, König Narin von seinem heldenhaften Vorhaben abzubringen. Stumm wandte er sich ab und kehrte auf die Wehrgänge zurück.

Die Schlacht am Tor tobte noch drei Stunden weiter, in denen große Mengen Blut auf beiden Seiten vergossen wurden. Das Tor wurde erfolgreich geschlossen und König Narin fand ein ruhmreiches Ende. Mit seinem heroischen Opfer erkaufte er seinem Volk genügend Zeit, um die Lücke in der Verteidigung zu schließen. Die Orks entsandten mehrere große Höhlentrolle, die gegen das gewalige Tor anrannten, doch ehe die Kreaturen es beschädigen konnten, wurden sie von den Ballisten der Verteidiger getötet. Umso heftiger entbrannten deshalb die Kämpfe auf den Wehrgängen. Prinz Nali, der seinem Vater auf den Thron nachfolgen sollte, wurde bei einem Angriff auf den nördlichen Wehrgang schwer verletzt. Lange war unklar, ob er überlebt hatte. Umso erleichterter war Borin als er hörte, dass Nali überleben würde, um sein Volk anzuführen.
Auch die Befestigungsanlagen der Zwerge erlitten schwere Schäden durch die Belagerung. Doch schließlich gingen den Orks tatsächlich nach und nach die Krieger aus. Zu viele von ihnen waren unter den Äxten der standhaften Zwerge gefallen oder von Pfeilen niedergestreckt worden. Nur ein kleiner Rest verblieb, der sein Heil in der Flucht suchte. Borin und Khazad-dûm hatten dem Angriff getrotzt, doch zu einem hohen Preis...
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3. Die Pforte von Rohan

Amros lag tief im Geäst des kleinen Wäldchens verborgen, in dem die Gruppe von Kundschaftern, zu der er eingeteilt worden war, sich versteckt hielt. Sie waren tief nach Südwesten vorgedrungen seitdem sie den Goldenen Wald verlassen hatten und hatten nun die weiten Ebenen Rohans erreicht, die sich vor ihnen ausbreiteten. Nur hier und dort waren überhaupt Bäume zu sehen und Amros war froh, dass sie dieses kleine Wäldchen inmitten der freien Fläche entdeckt hatten.
Seit der Flucht des Elbenvolkes aus Lothlórien herrschte große Unsicherheit über ihre Zukunft unter den Elben. Zwar war es dem Großteil der Bewohner des Goldenen Waldes gelungen, der Verwüstung zu entkommen, doch nun waren sie ein heimatloses Volk, das dringend Schutz benötigte. Viele hatten außer einigen wenigen Habseligkeiten kaum etwas aus ihren Häusern mitnehmen können, und die Vorräte drohten in weniger als zwei Wochen knapp zu werden. Und so waren Kundschafter in die aussichtlichsten Richtungen entsendet worden, um nach einem Ort Ausschau zu halten, an dem die Galadhrim sich in Sicherheit bringen konnten.
Niemand wusste, was in Rohan vor sich ging. Die meisten Elben hatten ihren Wald in all den Jahrhunderten des Friedens kaum verlassen. Die vergänglichen Reiche der sterblichen Menschen kümmerten sie nicht. Amros selbst wusste nur, dass Rohan das Land der Pferdeherren war, mehr nicht. Wie die Herrscher dieses Reiches auf die Ankunft einer großen Schar Elben reagieren würden, konnte er nicht sagen.
Jemand stupste ihn sachte an und Amros schob seine Gedanken beiseite. Es war Mírien, eine junge Elbin, die ebenfalls zu den Kundschaftern gehörte. Ihr hellbraunes Haar fiel in einem langen, kunstvoll geflochteten Zopf über ihre linke Schulter herab und um ihre Nase waren einige versprengte Sommersprossen zu sehen. "Was hältst du davon, Amros?" wisperte die Elbin und deutete nach Westen, über die weite Ebene hinweg. Amros kniff die Augen zusammen und entdeckte mehrere, sich schnell bewegende Punkte, die er schließlich als dahinpreschende Reiter erkannte.
"Das müssen die Pferdeherren sein, die in diesem Land leben," antwortete er auf Míriens Frage. "Ich denke, es wäre besser, wenn sie uns nicht zu Gesicht bekommen."
"Wir Kundschafter mögen ihnen aus dem Weg gehen können," meinte Mírien, "doch was ist mit dem Rest unseres Volkes? Sie sind zu zahlreich, um sich vor den Augen dieser Menschen zu verbergen."
"Nicht, wenn sie nur bei Nachts reisen," hielt Amros dagegen. "Doch du vergisst unsere eigentliche Aufgabe, Mírien. Wir sind hier, um den Weg nach Westen auszukundschaften. Siehst du dort in der Ferne die beiden Gebirgsketten, die sich immer näher kommen und am Ende beinahe zusammenstoßen?"
Mírien starrte in die Richtung, die Amros ihr gezeigt hatte, dann nickte sie. "Ich sehe es. Es ist noch viele Meilen entfernt, aber ich schätze, der Abstand zwischen den Gebirgen beträgt am engsten Punkt nur einige Dutzend Meilen."
Amros nickte. "Wenn wir also in diese Richtung weiterreisen wollen, müssen wir diesen Engpass durchqueren. Und das ist nur möglich, wenn er frei von Gefahren für unser Volk ist. Und das werden wir jetzt herausfinden."

Die kleine Gruppe von Elbenkundschaftern verließ das Wäldchen und hastete eilig über die Wiesen und Steppen Rohans dahin. Doch da sie keinerlei Deckung durch das Gelände mehr hatten, mussten sie sich auf ihre elbischen Umhänge verlassen, die ihnen dabei halfen, sich dem Blick unfreundlicher Augen zu entziehen. So kamen sie mehrere Tage lang gut voran, bis sie sich der Stelle, die Amros Mírien gegenüber beschrieben hatten, bis auf wenige Meilen genähert hatten. Je weiter die Gebirgsketten zu beiden Seiten zusammenrückten, desto weniger Platz blieb den Elben, um den hin und wieder auftauchenden Reitern der Pferdeherren Rohans auszuweichen. Schließlich kam der Moment, den Amros von Anfang an befürchtet hatte. Sie wurden von einer großen Gruppe Reiter entdeckt, als sie gerade einen vom kniehohem Gras bewachsenen Hügel überquerten.
Schwer bewaffnete Reiter kreisten die Elben ein und richteten ihre Waffen - Speere, Schwerter, Äxte und Bögen - auf sie. Dann trat einer vor, von dessen Helm mit einem Schweif aus weißem Rosshaar besetzt war.
"Ein seltener Anblick in diesem Tagen," bemerkte der Mensch, der seine Hand an den Griff seines Schwertes gelegt hatte. Er wirkte, als wäre er absolut bereit dazu, die Waffe auch einzusetzen. "Wenn mich meine Augen nicht täuschen, seid ihr vom Volk des Goldenen Waldes, in dem die berüchtigte Elbenhexe lebt. Sprecht schnell! Was führt euch in die Riddermark?"
"Eure Augen täuschen Euch nicht," antwortete Amros vorsichtig. "Wir stammen aus Lothlórien, das auch Goldener Wald genannt wird. Nicht mit bösen Absichten kamen wir hierher, sondern aus Verzweiflung. Unsere Heimat brennt - Orks und noch schlimmere Scheusale aus dem Nebelgebirge griffen uns an und überrannten unsere Verteidigung. Wir waren gezwungen, die Flucht zu ergreifen."
"Dies sind schlimme Nachrichten, sofern Ihr denn die Wahrheit sprecht," sagte der Anführer der Reiter. "Doch sehe ich hier nur eine sehr kleine Gruppe an Elben, die auf mich mehr wie Kundschafter und nicht wie Flüchtlinge wirken. Wo ist der Rest Eures Volkes?"
"Sie warten an der Nordgrenze Eures Landes darauf, dass die Späher, die entsandt wurden, ihnen Bericht erstatten," erklärte Amros wahrheitsgemäß. "Wir sind auf der Suche nach einer neuen Heimat."
"In Rohan werdet Ihr sie nicht finden. Wir haben genug eigene Probleme und können es uns nicht erlauben, auch noch einen Krieg mit den Orks des Nebelgebirges zu beginnen, die Eurem Volk gewiss hart auf den Fersen sind."
"So gewährt uns wenigstens die Passage durch Euer Land, dann werden wir schneller verschwunden sein, als ihr es sehen könnt," bat Amros.
Der Reiter zeigte nach Westen, wo die Gebirgsketten sich einander näherten. "Dieser Ort wird die Pforte von Rohan genannt," erklärte er. "Jenseits davon liegt ein Land, das nur spärlich besiedelt ist und euch vielleicht das zu geben vermag, nach dem Ihr sucht."
"Wir sind Euch zu Dank verpflichtet, Pferdeherr."
"Dankt mir noch nicht, Meister Elb. Das Land, von dem ich sprach, trägt den Namen Dunland. Zwar leben nur wenige Menschen dort, doch jene, die es tun, sind wild und brutal. Ich rate euch, ihnen aus dem Weg zu gehen."

Es dauerte eine Woche und drei Tage, bis das gesamte Volk von Lothlórien die Pforte von Rohan mit der Erlaubnis der Pferdeherren passiert hatte. Amros und Mírien sahen am achten Tag nach ihrer Ankunft in Rohan von der westlichen Seite der Pforte zu, wie die letzten Elben die westliche Grenze Rohans überschritten. Sie standen auf einem Hügel, der sich östlich der Pforte von Rohan erhob. Als die Nachzügler sich dem Rest der Elben wieder angeschlossen hatten, wollte sich Amros gerade der Nachhut anschließen, zu der man ihn inzwischen eingeteilt hatte, als ein ferner Hornstoß an sein scharfes Elbenohr drang.
Auch Mírien war stehen geblieben. "Hörst du das?" fragte sie mit einem besorgten Blick im Gesicht.
"Dort unten scheint ein Gefecht ausgebrochen zu sein," stellte Amros fest und deutete zurück in Richtung Osten, nach Rohan, wo eine große Gruppe Reiter aufgetaucht waren. Sie preschten im vollen Galopp voran, um eine Masse von Gestalten anzugreifen, die aus dem Nordosten herangeströmt waren.
"Das müssen die Bewohner Dunlands sein," meinte Mírien. "Sie sind mit den Pferdeherren verfeindet, nicht wahr?"
"Ich glaube schon," sagte Amros, der sehr froh darüber war, dass die Elben es aus Rohan heraus geschafft hatten, bevor der Angriff der Dunländer erfolgt war.
Das Gefecht dauerte nicht sehr lange. Die Reiter schlugen die Menschen Dunlands in die Flucht und brachen in Jubelschreie aus. Amros und Mírien wandten sich ab und beeilten sich, sich dem Rest der Elben wieder anzuschließen.
Die Wildnis von Dunland mit neuen Gefahren lag nun vor ihnen...
Zuletzt geändert von Melkor_0 am 24. Jul 2018, 18:36, insgesamt 1-mal geändert.
Melkor_0
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4. Die Sorgen eines Zwerges

Borin stand an der Stelle, an der sein Bruder gefallen war und rührte sich nicht. Beide Hände hatte er auf dem Griff seiner Axt abgestützt, die schwer auf dem blutbefleckten, gemauerten Boden direkt außerhalb des schwer mitgenommenen Tores der Zwergenfestung ruhte. Er konnte noch immer nicht recht glauben, dass Narin fort war. Du heldenhafter Narr, dachte Borin traurig und verbittert. Warum nur musstest du das letzte Gefecht persönlich anführen? Khazad-dûm braucht dich jetzt. Die Last, die du deinem Sohn hinterlassen hast, ist zu schwer für ihn, fürchte ich.
Der Zwergenkrieger atmete tief durch und drehte sich um. Langsamen Schrittes trat er durch das große Tor und durchquerte die Halle, die dahinter lag. Es war still im Inneren des Zwergenreiches. Borin begegnete niemanden, bis er in die Nähe des Thronsaales kam. In einer kleinen Kammer, die durch einen Lichtschacht von draußen erhellt wurde, wurde er von vier schwer gerüsteten Ehrengardisten erwartet. Die Wächter blieben stumm, als Borin eintrat, und ließen ihn passieren. Im Zentrum der Kammer, wo der Lichtschein durch den Schacht fiel, lag sein Bruder, der gefallene König Narin. Er wirkte, als würde er nur schlafen. Borin ließ sich vor der steinernen Bahre, auf der der König lag, auf ein Knie nieder und richtete die Axt vor sich auf. So begann seine Totenwache.

Während Borin wachte, hörte er aus dem nahen Thronsaal die Geräusche der Krönungszeremonie, die durch die Wände drangen. Nali, Narins Sohn, war nun König von Khazad-dûm. Er war jung und unerfahren, angetrieben von dem Bestreben, sich in den Augen seiner Vorväter zu beweisen. Jubelrufe auf Nalis Namen waren zu hören und Borin hätte beinahe den Kopf geschüttelt. Wie können sie an einem solchen Tag feiern, dachte er. Der Angriff der Orks des Nebelgebirges hatte das Zwergenreich schwer getroffen. Nicht nur das große Tor war angegriffen worden, sondern auch mehrere der versteckten Nebeneingänge waren belagert oder sogar erstürmt worden und überall in Khazad-dûm waren Blutvergießen und Verwüstung allgegenwärtig gewesen. Der Wiederaufbau hatte nur langsam begonnen, denn die Verluste der Zwerge waren schwerwiegend gewesen. Weil die Wachposten an allen Zugängen verdoppelt worden waren, mangelte es an Arbeitern, die die Reparaturen durchführen konnten. Die Heilhäuser waren überfüllt mit den Verletzten der Schlacht und die Heiler selbst waren zu wenige, um der vielen Arbeit Herr zu werden, die auf sie wartete. Außerdem hatte Borin ein schlechtes Bauchgefühl, wenn er darüber nachdachte, weshalb die Orks das Zwergenreich angegriffen hatten, und auf welche Art und Weise sie es getan hatten. Eine finstere Vorahnung sagte ihm, dass dieser Angriff nur der erste Schlag in einem lange währendem Krieg sein könnte. Die Orks mussten seit vielen Monaten Spione nach Khazad-dûm entsandt haben, die sich in den dunkelsten Ecken der tiefsten Gänge des Zwergenreiches verborgen und auf ihre Gelegenheit gewartet hatten, da war sich Borin sicher. Wie sonst hätten die Feinde der Zwerge die verborgenen Zugänge nach Khazad-dûm entdecken können?

Nach mehreren Stunden beendete Borin seine Totenwache und zog sich für die Nacht in seine bescheidenen Quartiere zurück. Noch immer ließen ihm die Gedanken keine Ruhe, dass die Gefahr für Khazad-dûm noch lange nicht vorbei war. Es dauerte eine ganze Weile, bis er in einen unregelmäßigen Schlaf fiel. Gleich am nächsten Tag beschloss er, den Spuren der Orks zu folgen, die der Schlacht am Tor des Zwergenreiches entkommen waren. Nur einem winzigen Überrest der feindlichen Streitmacht war die Flucht gelungen, und ihre Spur führte nach Norden, tief ins Gebirge hinein. Borin kannte die Bergregionen rings um Khazad-dûm gut, doch je weiter er sich von seiner Heimat entfernte, desto fremder wurden ihm die Berggipfel, die sich dort erhoben. Er beschloss, direkt nach Norden durch einen der größeren Gebirgspässe zu gehen. Dort lag ein kleiner zwergischer Außenposten, von dem seit dem Angriff auf Khazad-dûm keine Nachrichten mehr an das Ohr des Zwergenkönigs gelangt waren. Borin wusste, dass die orkische Streitmacht jenen Außenposten auf ihrem Weg passiert haben musste und er hoffte, dort neue Hinweise zu finden. Doch am Thronsaal angelangt eröffneten die Wächter ihm, dass König Nali noch schlafe.
"Er schläf?t Um diese Zeit?" fragte Borin, halb verwundert, halb verärgert. Der Vormittag war bereits weit vorangeschritten.
"Die Feier, die sich an die Krönungszeremonie anschloss, dauerte bis in die Morgenstunden an," erklärte man ihm.
Borin machte ein abschätziges Geräusch, hielt sich aber mit einem weiteren Kommentar zurück. Seine Befürchtungen waren bestätigt worden: Nali schien kein verantwortungsvoller König sein zu wollen. Er ließ sich lieber feiern.
"Dann werdet ihr dem König meine Abwesenheit erklären müssen," sagte er daher. "Ich gehe nach Norden, um die Gründe für den Angriff der Orks zu untersuchen."
"Der König wünscht, dass Ihr der Musterung und Neugliederung des Heeres heute Abend beiwohnt," sagte einer der Berater des Königs, der alles mitangehört hatte.
"Noch mehr Zeremonien? Haben wir nicht schon genügend Zeit verschwendet?" machte Borin seinem Ärger Luft. "Die Spur wird erkalten, wenn ich so lange warte."
"Wenn Ihr unerlaubt Euren Posten verlasst, wird Euch Euer Rang als Heerführer aberkannt," wies ihn der Berater hin.
"Dann sei es eben so," sagte Borin wütend. "Ich gehe. Versucht nicht, mich aufzuhalten." Und damit marschierte er davon.

Mit nur wenig Gepäck und ohne Begleitung brach Borin bei Mittag nach Norden auf. Er ließ das Schlachtfeld außerhalb des großen Tores hinter sich und bog nach links auf den großen Pass ein, der hinauf ins Gebirge führte. Obwohl es bergauf ging, kam er gut veran. Er war noch immer ein Zwerg, und sein Herz fühlte sich umgeben von schneebedeckten Gipfeln am wohlsten. Trotz seiner Verärgerung über den neuen König Nali war Borin guter Dinge. Die Spur der Orks war nicht zu übersehen. Das flache Gras, was auf dem Pass wuchs, war von eisernen Stiefeln niedergetrampelt worden, und hin und wieder fand Borin kleinere Gegenstände, die die Orks in ihrer Eile fallen gelassen hatten. Am Abend entdeckte er sogar drei orkische Leichen, die mitten auf dem Pass lagen. Offenbar hatte es eine Meinungsverschiedenheit unter den Überlebenden der Schlacht gegeben, die mit Gewalt gelöst worden war.
Borin hatte das Gefühl, dass er langsam aber sicher seine Beute einholte. Er warf einen raschen Blick auf die Karte, die er aus Khazad-dûm mitgenommen hatte. Die Sonne ging bereits unter, als er den zwergischen Außenposten erreichte. Es handelte sich um mehrere steinerne Bauten, umgeben von einer starken Mauer, die sich an die Felswand schmiegte, die an der Nordseite des Passes aufragte. Dicke Rauchwolken stiegen von den zwergischen Gebäuden auf und vom höchsten Turm hing das schwarze Banner der Orks. Borin wusste nun, warum die Zwerge des Vorpostens keine Warnung nach Khazad-dûm geschickt hatten. Sie waren überfallen und getötet worden, noch ehe der Angriff auf die Hauptstadt des Zwergenreiches überhaupt erfolgt war. Von Rachsucht erfüllt packte Borin seine Axt und marschierte los, auf den Außenposten zu. Er schwor sich, jeden einzelnen darin verbliebenen Ork eigenhändig umzubringen...
Zuletzt geändert von Melkor_0 am 4. Aug 2018, 15:40, insgesamt 1-mal geändert.
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Nach etwas Verzögerung, welche durch Urlaub / Krankheit und andere Dinge hervorgerufen wurde, geht es jetzt endlich weiter!

Dazu ein Hinweis, im ersten Beitrag befindet sich nun eine detailliertere Charakterübersicht der wichtigsten Personen. Dort werden auch Namen genannt, welche erst noch in der Story auftauchen müssen. Um dies aber nicht immer wieder zu aktualisieren, wurden bereits alle (oder zumindest die meißten) wichtigen Charaktere dort aufgeführt.


5. Der Weg durch Dunland

Die wilden Lande, die jenseits der Pforte von Rohan lagen, waren mühselig zu durchqueren. Auf ihrem Weg nach Norden gab es weder Weg noch Straße, der die Elben folgen konnten. Stattdessen führten dünne, kaum sichtbare Pfade in wirren Windungen durch das zerklüftete, hügelige Gebiet, das kaum Zivilisation aufzuweisen schien. Einige wenige Male sahen die Späher, die der Hauptgruppe des Elbenvolkes vorausgingen, Rauch in der Ferne aufsteigen, der von menschlichen Bewohnern zeugte, und am dritten Tag ihrer Durchquerung Dunlands kam sogar ein Dorf in Sicht, doch sie hielten sich davon fern. Gerüchte besagten, dass Elben in diesen Landen keine gern gesehenen Gäste waren. Die wilden Menschen vertrauten Fremden grundsätzlich nicht, doch Elben schienen sie noch mit größerer Abscheu zu begegnen als allen anderen.
Amros bahnte sich seinen Weg durch das dichte Unterholz, das auf der Kuppe eines der vielen Hügel wucherte, die rings um ihn herum aufragten. Es war Nachmittag, und der Himmel über ihm war durchsetzt von sich verdunkelnden Wolken. Es würde bald regnen. Amros schob mehrere widerspenstige Äste beiseite und legte das letzte Stück Weg zur Spitze des Hügels zurück, um einen Blick auf die Umgebung zu werfen. Zu seiner Linken stieg das Land weiter und weiter auf, bis zu den fernen Gipfeln des Nebelgebirges, die selbst zu dieser Jahreszeit schneebedeckt waren. Rechter Hand hingegen wurde das Gebiet flacher und war von den blauen Bändern mehrerer kleiner Flüsse durchsetzt. Sie hatten sich gegen den Weg durch die Flusslandschaft entschieden, da die Elben dort weniger vor unfreundlichen Blicken geschützt gewesen wären und da die Wahrscheinlichkeit dort vermutlich höher war, Dunländern zu begegnen denen sie lieber aus dem Weg gegangen wären.
Vor Amros, im Norden, bot sich ihm derselbe Anblick den er nun schon seit zwei Tagen hatte ertragen müssen: hügeliges, unwegsames Gelände, überwuchert von wilder Natur und nur schwer zu passieren. Und dennoch war genau das der Weg, den sie zu nehmen planten. Denn jenseits der Hügel Dunlands lagen freundlichere Lande, die zwar von den meisten Einwohnern längst verlassen waren, aber einfacher zu durchqueren sein würden. Und am Nordende dieser leeren Ebenen lag Bruchtal, die alte Elbenzuflucht westlich des großen Gebirges, auf die sich nun die Hoffnungen von Amros‘ Volk richteten. Dort würden sie Schutz finden... wenn es ihnen gelang, wohlbehalten dort anzukommen.
Amros begann, langsam auf der Nordseite des Hügels hinabzusteigen. Rings um ihn herum taten die Kundschafter, die ihn begleiteten, dasselbe. Mírien hielt sich stets dicht bei Amros und ließ ihn nur selten aus den Augen. Er nahm an, dass dieses Verhalten damit zu tun hatten, dass die junge Späherin so viel wie möglich von ihm lernen wollte. Als Grenzwächter gehörte er zu den erfahreneren Kriegern der Waldelben, doch so offensichtlich als Vorbild betrachtet zu werden war dennoch neu für Amros. Er ertappte sich dabei, wie Míriens Blicke ihn hin und wieder unter Druck setzten. Er durfte sich keine Fehler erlauben.
„Amros!“
Der hastige Ruf war die einzige Warnung, die Amros bekam. Seine geschärften Sinne reagierten und registrierten eine minimale Bewegung im Geäst direkt vor ihm. Sofort ließ er sich flach auf den Boden fallen und entging nur um Haaresbreite dem schartigen Wurfspeer, der aus dem Unterholz raste und ihm den Oberkörper durchbohrt hätte. Wütendes Grollen drang aus dem Gebüsch und dann brachen mit lautem Getöse mehrere menschliche Krieger daraus hervor, die sich mit gezogenen Waffen auf Amros und seine Gefährten stürzten.
Mírien, die den Warnruf ausgestoßen hatte, hatte erneut bewiesen, dass ihr Blick überdurchschnittlich scharf war. Sie musste den Hinterhalt in letzter Sekunde entdeckt haben. Mehr und mehr Dunländer tauchten auf, nun auch von beiden Seiten kommend. Sie trugen Pelze und einfache Kleidung aus festem Leder, jedoch keinerlei Rüstung aus Metall. Ihre Waffen beschränkten sich auf einfache Äxte, Speere oder Schilde aus Holz, doch die Wut, die in ihren Augen loderte, ließ sie umso heftiger angreifen. Schon waren zwei Dutzend wilde Krieger aufgetaucht, die den Elben an Zahl längst überlegen waren. Amros, Mírien und die restlichen Kundschafter mussten um ihr Leben kämpften. Da sie sich am Abhang des Hügels befanden und von drei Seiten angegriffen wurden, lag ihre einzige Fluchtroute zurück zur Kuppe der Erhebung. Kämpfend zogen sie sich mühselig den Hang hinauf zurück, doch sie kamen nur sehr langsam voran. Amros sah einen Elben stürzen, der nicht wieder aufstand. Jubelndes Gebrüll ertönte von den wilden Menschen und die Angriffe nahmen an Intensität noch zu.
Inzwischen hatte Amros die Spitze des Hügels beinahe erreicht. Hastig parierte er den mit Wucht geführten Schlag einer schon etwas rostigen Axt, doch dabei splitterte ein Stück der schartigen Klinge unter dem Aufprall ab und bohrte sich in Amros‘ Oberschenkel. Er biss die Zähne zusammen und versetzte dem Dunländer, der ihn angegriffen hat, einen überraschenden Schulterstoß, der den Menschen rückwärts den Hügel hinab stürzen ließ.
„Bist du in Ordnung?“ fragte Mírien mit deutlicher Sorge in der Stimme.
„Es geht schon,“ presste Amros mit zusammengebissenen Zähnen hervor, während er den Splitter aus der Wunde zog. Blut floss über seine Hand und sein Bein hinab. Rasch riss er ein Stück seines Umhangs ab und wickelte es notdürftig um den Oberschenkel. Pfeile sausten an den beiden Elben vorbei, während sie gerade den Blick von Amros‘ Verletzung abwandten. Die Vorhut der Waldelben war eingetroffen und dünnte von ihrer Position auf dem Hügelkamm die angreifenden Dunländer mit gezieltem Beschuss aus. Es dauerte nicht lange, bis kein Feind mehr auf den Beinen stand.
Amros und Mírien halfen dabei, nach den Verletzten zu sehen. Viele hatte es schlimmer erwischt als Amros; zwei Elbenspäher waren gefallen.
„Amros, sieh nur,“ rief Mírien, die den Hügel wieder hinabgestiegen war. „Dieser hier ist noch am Leben.“ Sie hatte sich neben einem gefallenen Dunländer auf ein Knie hinabgelassen und betrachtete den Menschen mitleidig. Amros schloss zu ihr auf und sah, dass der Krieger trotz der beiden Pfeile, die aus seinem Oberkörper ragten, noch immer atmete.
„Warum habt ihr uns angegriffen?“ verlangte der Grenzwächter zu wissen.
Der Dunländer brachte ein grimmiges Lächeln zustande, bei dem ein Rinnsal Blut aus seinem Mundwinkel lief. „Wir töten Elblinge, wo immer wir sie finden. Es gibt keinen anderen Weg als eure vollständige Vernichtung.“
Amros‘ Miene verdunkelte sich. „Das ergibt keinen Sinn.“ knurrte er.
„Ihr werdet es sehen. Häuptling Glynn wird dafür sorgen, dass keiner von euch überlebt, selbst wenn ihr euch nach Norden ins verborgene Tal flüchtet. Ihr werdet niemals... sicher sein...“
Der Mensch hustete und spuckte Blut. Amros packte ihn wütend am Hals. „Woher kennt ihr unser Ziel? Antworte mir, Abschaum!“
Doch der Dunländer atmete nicht länger.
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6. Die Schatzsucherin

Mit einem knochenzermalmenden Krachen ließ Borin seine blutige Axt auf den Schädel des letzten Orks niedergehen. Ein zufriedenstellendes Knacken, das wie Musik in seinen Ohren war, beendete das Leben der Kreatur. Der Außenposten, in dem sich nicht mehr als ein Dutzend versprengte Orks versteckt gehalten hatten, war nun gesäubert.
„Mistviecher,“ knurrte Borin und stützte sich für einen Augenblick auf seine Waffe, um zu verschnaufen. Es hatte gut getan, den Außenposten von seinen Besatzern zu befreien. Auch wenn es die hier gefallenen Zwerge nicht zurückbringen würde hatte Borin dennoch nicht vorgehabt, irgendwelche Orks am Leben zu lassen.
Nach einer kurzen Pause begann er, das Innere des kleinen Vorpostens nach Hinweisen zu durchsuchen. Der Zwerg entfernte das orkische Banner, das an der Spitze des Gebäudes hing und warf den schwarzen Stofffetzen achtlos zu Boden. Am liebsten hätte er das Ding gleich verbrannt, doch er wagte es nicht, ein Feuer anzuzünden - das würde nur unerwünschte Aufmerksamkeit erregen. Die Waffen- sowie die Vorratskammer fand Borin gründlich geplündert vor, doch im Keller stieß er schließlich auf eine Art Archiv, das offenbar uninteressant genug gewesen war, dass die Orks es links liegen gelassen hatten. Bei den Schriftstücken, auf die der Zwerg stieß, handelte es sich zum Großteil um Minenberichte aus den umliegenden Schürfgebieten und um Handelsverzeichnisse. Einst war hier im Gebirge reger Handel getrieben worden - ehe die Orks sich in großer Zahl vermehrt und die Zwergenstädte eine nach der anderen verwüstet hatten.
Borin beschloss, dass es Zeit für eine kleine Stärkung war. In der Eingangshalle des Vorpostens, wo die meisten Orks noch immer tot herumlagen, ließ er sich auf einer steinernen Bank nieder und nahm sein Mittagessen ein, bestehend aus getrockneten, haltbaren Rationen und einem halben Schlauch Wasser. Borin war daran gewöhnt, Nahrung nicht wegen des Geschmacks sondern aus Notwendigkeit zu sich zu nehmen, weshalb ihn der fade Geschmack der Trockenrationen nicht sonderlich störte.
Während er aß, dachte er nach. Er fragte sich, wie sich die Lage in seiner Heimat wohl entwickelt hatte, seitdem er aufgebrochen war. Als er an seinen Neffen, den frisch gekrönten Herrscher dachte, ballten sich Borins Hände zu Fäusten. „Dieser selbstsüchtige Narr,“ murmelte er. „Verschließt lieber die Augen vor den Problemen und vor dem Rest der Welt, als sich für sein Volk ins Zeug zu legen.“ Seine Entschlossenheit, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, wurde noch stärker. Er würde nicht zulassen, dass das Zwergenreich erneut in Gefahr geriet.

Aus den Augenwinkeln erhaschte Borin eine Bewegung am Eingang des Vorpostens. Ein schlanker Schatten schlüpfte hindurch und verharrte, als das trübe Licht, das durch die steinernen Fenster fiel, Borins stämmige Gestallt enthüllte.
Er sprang auf und packte seine Waffe. Hatte er zu lange getrödelt und war nun seinen Feinden in die Falle gegangen? „Kommt nur!“ rief er zornig. „Dieser Ort gehört den Zwergen, und dieser Zwerg wird ihn verteidigen, solange er atmet!“
Eine Stimme antwortete ihm. Sie klang vorsichtig und besonnen - und weiblich. „Nur die Ruhe, Meister Zwerg. Ich habe nicht vor, Euch zu töten. Ich bezweifle, dass ich alleine dazu in der Lage wäre.“
Die schattenhafte Gestalt richtete sich auf und das einfallende Licht erhellte ihr Gesicht. Borin blickte verblüfft drein als er erkannte, dass es sich bei dem Eindringling um eine braunhaarige Menschenfrau handelte. Er schätzte ihr Alter ungefähr auf dreißig Jahre, doch sicher konnte der Zwerg sich nicht sein.
Er ließ die Axt sinken, ohne seine Wachsamkeit aufzugeben. „Was wollt Ihr hier? Wer seid Ihr?“ fragte er barsch.
„Es ist unhöflich, zuerst nach Namen und Absichten zu fragen, ohne seine eigenen genannt zu haben,“ sagte die Frau mit einem tückischen Lächeln. „Aber da dieser Ort unter Eurem Schutze zu stehen scheint, will mich diesmal darüber hinweg sehen. Mein Name ist Vallena Serecar, meines Zeichens Schatzsucherin... und eine ziemlich gute, wenn ich das sagen darf.“
„So so, Ihr seid also hinter dem Reichtum meines Volkes her,“ grollte Borin. „Lieber würde ich mir den Bart scheren lassen als zuzulassen, dass ihr diesen Ort mit Euren gierigen Fingern entweiht.“
„Langsam, langsam,“ wehrte die Schatzsucherin ab, ohne dass ihr Lächeln verschwand. „Ihr versteht nicht, Meister Zwerg. Ich h-„
„Mein Name ist Borin, Sohn des Brór,“ unterbrach Borin sie.
„Meister Borin also. Gut. Ich habe nicht vor, irgendwelche Reichtümer der Zwerge an mich zu reißen. Habt Ihr noch nie von der wichtigsten Regel aller Schatzsucherin gehört? Nimm niemals etwas, das jemandem gehört, der noch am Leben ist.Und wie ich festgestellt habe, seid Ihr noch am Leben. Doch selbst wenn Ihr es nicht wärt, hätte ich dennoch kein Interesse an irgendwelchen Zwergenschätzen. Die sind zwar so einiges wert, aber lassen sich nur schwer verkaufen.“
„Wieso das?“ hakte Borin halb interessiert, halb verärgert nach.
„Weil viele Händler, die von meinesgleichen ausgegrabene Schätze kaufen, selbst Zwerge sind, und Kleinode ihres Volkes erkennen. Sie reagieren darauf eigentlich immer mit großer Wut, und selbst ein Händlerzwerg ist nur selten ohne eine Axt unterwegs.“
„Hmpf!“ machte Borin. „Und was tut Ihr nun also hier, Schatzsucherin?“
„Habt Ihr schon einmal von Rodhrukar dem Lodernden gehört?“ fragte Vallena.
„Der Drache? Das ist doch bloß eine Legende. Seit hunderten von Jahren hat ihn niemand mehr gesehen.“
„Seit seinem Kampf mit einem Artgenossen, um genau zu sein,“ ergänzte die Menschenfrau. „Und doch halten sich die Gerüchte hartnäckig, dass Rodhrukar noch immer am Leben ist und auf einem gewaltigen Hort von Reichtum ruht.“
„Daher weht also der Wind,“ meinte Borin. „Ihr wollt den Schatz des Drachen finden.“
„Gut erkannt,“ lobte sie. „Und wie es der Zufall so will, führt mich die Spur,der ich seit Jahren folge, hierher.“ Sie machte einen Schritt vorwärts und hob das schwarze Ork-Banner auf, das Borin von der Spitze des Außenpostens entfernt hatte. Er beobachtete misstrauisch, wie die Schatzsucherin das Ding sorgfältig untersuchte und ins Licht hob. „Wie ich es mir gedacht hatte,“ sagte sie kurz darauf. „Die Orks führen tatsächlich ein neues Zeichen auf ihren Bannern. Hier seht nur.“
Borin trat heran, noch immer mit Vorsicht, doch nun auch ein klein wenig neugierig. Als er das Banner abgerissen hatte, hatte er kaum einen Blick darauf geworfen. Doch nun sah er, dass Vallena recht hatte. Über dem roten Zeichen in der Mitte des schwarzen Feldes, welches wohl einen Berg darstellen sollte, war eine stilisierte Drachenklaue zu sehen.
„Sie müssen sich mit dem Drachen verbündet haben,“ murmelte er.
„So ist es. Und deswegen bin ich hier. Finde ich die Orks, die hier waren, finde ich meine Spur zu Rodhrukar und seinem Schatz.“
„Nun, ich fürchte, die Orks hier sind leider nicht mehr besonders... ansprechbar,“ sagte Borin und zeigte schmunzelnd auf die Kadaver, die in der Halle verstreut lagen.
„Oh, das macht gar nichts,“ erwiderte Vallena fröhlich. „Ich bin mir sicher, sie haben nichts dagegen einzuwenden, wenn ich sie gründlich durchsuche.“
Während die Schatzsucherin sich ans Werk machte, stellte sie Borin einige Fragen, die er widerwillig beantwortete. Er hatte beschlossen, Vallena im Auge zu behalten, und während er das tat, konnte er sich genauso gut auch mit ihr unterhalten, um sich die Zeit zu vertreiben. So erfuhr sie von dem Angriff auf dass Zwergenreich und den Grund für Borins Expedition nach Norden.

Eine halbe Stunde später wurde Vallena schließlich fündig. In den Taschen eines der toten Orks fand sie ein Schriftstück, auf dem einige für Borins Augen unleserliche Zeichen geschrieben worden waren.
„Das ist doch bloß Ork-Gekritzel,“ meinte der Zwerg verdrossen.
„Nicht für mich,“ entgegnete die Menschenfrau. „Das sind Marschbefehle - vermutlich für die Orks, die Ihr hier erschlagen habt. Sie haben die Anordnung, sich in drei Tagen mit ihrem Anführer, einem gewissen Korruk Schwarzschild zu treffen. Eine Wegbeschreibung zum Treffpunkt ist ebenfalls dabei. Volltreffer!“
„Ihr wollt also einfach so mirnichts dirnichts in einen Kriegsrat der Orks platzen,“ stellte Borin skeptisch fest.
Vallena nickte. „Genau das will ich - aber nicht alleine.“ Sie warf ihm einen auffordernden Blick zu.
„Oh nein, das könnt Ihr vergessen,“ wehrte er ab, als er verstand.
„Nun habt Euch nicht so. Ihr wollt wissen, wer für den Angriff auf Eure Heimat verantwortlich ist, und ich will den Hort des Drachen finden. Wir können uns gegenseitig helfen.“
„Ich mag Euch nicht, Schatzsucherin.“
„Und ich glaube, Ihr lügt, Meister Borin. Wenn Ihr mich nicht ausstehen könntet, hättet Ihr Euch mich längst Eurer entzückenden Axt vorgestellt,“ trumpfte Vallena auf.
„Hmpf!“
„Also ist es beschlossen?“
„Wenn ich Euch vor den Orks retten muss, ist unsere kleine Partnerschaft vorbei, habt Ihr verstanden?“ grollte Borin unwillig.
„Oh, macht Euch um mich nur keine Sorgen. Ich bin ein großes Mädchen, ich kann sehr gut auf mich achtgeben.“ Vallena lachte und bot Borin die Hand an. „Nun gebt Euch einen Ruck. Unser gemeinsames Abenteuer hat gerade erst angefangen.“
Borin dachte daran, dass Vallena vermutlich tatsächlich seine beste Chance darstellte, nahe genug an die Anführer der Orks heranzukommen. Also schlug er - widerwillig - ein.
„Ich wusste, dass Ihr vernünftig sein könnt,“ meinte sie gut gelaunt. „Also lasst mal sehen. Wenn ich die Sprache der Orks richtig verstehe, liegt der Treffpunkt in etwa...“ Sie zog eine Karte aus ihrer Tragetasche und fuhr mit dem Finger darüber, bis sie an einer Stelle verharrte, an der ein blauer Punkt eingezeichnet war.
„Die Silberne Quelle,“ entfuhr es Borin. „Dieser Ort ist seit vielen Jahren verlassen, seitdem die Silberminen ringsum versiegt sind.“
„Es sieht ganz so aus, als gäbe es dort nun neue Bewohner,“ meinte Vallena. „Statten wir ihnen also einen freundlichen Besuch ab!“
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7. Korruk

Borin lag flach auf dem Boden und spähte angestrengt zwischen zwei großen Felsen hervor, die zu beiden Seiten seines Kopfes aufragten. Der steinige Untergrund unter ihm war unbequem, was seiner Laune nicht sonderlich zuträglich war. Er grummelte einen zwergischen Fluch in sich hinein und handelte sich dadurch einen festen Stoß in die Seite ein.
„Pssst!“ machte Vallena, die neben ihm lag, und legte ihren Zeigefinger an die Lippen. „Gewöhnt es Euch lieber an, lautlos zu fluchen,“ wisperte sie so leise, dass Borin sie kaum verstand, obwohl sie ihm praktisch ins Ohr geflüstert hatte.
Er schenkte ihr einen unwirschen Blick, doch dabei beließ er es. In den letzten Tagen hatte er widerwillig anerkennen müssen, dass die Menschenfrau wusste, was sie tat - und dass sie sehr gut darin war. Dank ihrer Führung war es den beiden unwahrscheinlichen Reisegefährten gelungen, ungesehen bis ins Tal der Silbernen Quelle vorzudringen und dabei mehr als nur einer orkischen Streife aus dem Weg zu gehen. Borin war sich sicher, dass er, wenn er alleine gewesen wäre, längst entdeckt worden wäre. Vallena schien stets genau zu wissen, wann Feinde in der Nähe waren und wo sich ein passendes Versteck für sie beide bot. Borin kam nicht umhin zu bemerken, dass er ihre selbstsichere und draufgängerische Art sogar einigermaßen unterhaltsam fand.
Natürlich sagte er ihr kein Wort davon, allein schon, um ihr die Genugtuung darüber nicht zu gönnen.
Sie hatten ihr jetziges Versteck bei Sonnenuntergang bezogen und hatten von dort mehrere Stunden lang beobachtet, wie mehr und mehr Orks in dem kleinen Tal eingetroffen waren, in dessen Zentrum sich ein schimmernder Teich befand. Dort entsprang die Silberne Quelle, die einst die Wasservorräte vieler zwergischer Silberminen unter den ringsum liegenden Berggipfeln gespeist hatte. Doch die Silberadern waren bereits vor hunderten von Jahren erschöpft worden und die Minenarbeiter waren fortgezogen. Von der Anwesenheit der Zwerge zeugten heute nur noch die kunstvoll gemauerten Mineneingänge, die überall im Tal verstreut waren.
Die Orks versammelten sich unweit der Wasser der Quelle auf einem freien Platz am Rande des Tals. In westlicher Richtung hinter ihnen stieg eine der umgebenden Bergflanken zu steiler Höhe hinauf und bildete einen gefährlichen, felsenübersäten Hang. Und dort hielten sich Borin und Vallena nun versteckt, vor den bösartigen Blicken ihrer Feinde durch die vielen Felsen verborgen. Da sie sich in Hörweite der Ork-Anführer befanden, mussten sie ihr Schweigen wahren, um nicht entdeckt zu werden.
„Wo bleiben die Späher nur?“ regte sich einer der orkischen Häuptlinge auf. „Sie sollten längst hier sein.“
„Bah! Ich geb einen Dreck auf dieses nutzlose Gewürm,“ grollte ein zweiter. „Wenn sie nicht hier sind, sind sie vermutlich längst tot. Die Bartlinge sind nicht dumm, die haben schon gemerkt, aus welcher Richtung der Angriff auf ihr Heimatloch kam.“
Eine dritte Stimme mischte sich ein. Im flackernden Licht der Fackeln, die die Orks mit sich gebracht hatten, erkannte Borin die grobschlächtige Gestalt eines besonders großen Ork-Anführers, der von Kopf bis Fuß in schwarze Rüstung gehüllt war. „Maul halten,“ knurrte der große Ork. „Das reicht jetzt. Wir fangen ohne die Späher an. Ob sie nun tot sind oder nicht spielt keine Rolle.“
„Aber Korruk, wir...“ wagte einer der anderen Häuptlinge einzuwenden.
Korruks Pranke schoss vor und packte den Sprecher am Hals. Dieser japste nach Luft, während der große schwarze Ork ihn mühelos hochhob und dann mit einem lauten Krachen zu Boden schmetterte.
„Ich sagte, wir fangen ohne sie an. Oder möchte vielleicht noch jemand Einwände vorbringen? Nein? Gut.“ Korruk gab ein bedrohliches Knurren von sich, dann deutete er nach Süden. „Der Angriff auf die verhassten Bartträger hat sein Ziel erreicht. Seinetwegen konnten die Zwerge den Elblingen nicht zur Hilfe eilen, und nun haben diese widerlichen Spitzohren ihre Heimat aufgegeben und sind auf der Flucht. Aus Dunland hören wir, dass sie das Gebirge im Süden umrundet haben und auf dem Weg ins verborgene Tal sind. Sollen sie nur versuchen, dort Zuflucht zu finden! Dann haben wir sie genau dort, wo wir sie haben wollen.“
„Und was ist mit den Zwergen?“ hakte einer der Anführer vorsichtig nach. „Der Angriff auf das Haupttor schlug fehl.“
„Kurzsichtiger Hohlkopf!“ grollte Korruk. „Die Eroberung dieses verdreckten Zwergenloches war niemals meine Absicht. Der Angriff sollte die Bartlinge nur daran hindern, ihren Freunden bei der Verteidigung ihres Waldes zu helfen. Und darüber hinaus... haben uns die Zwerge freundlicherweise von diesem Idioten Grazhrak befreit, der den Angriff angeführt hat. Dank seines Todes stehen die Stämme des südlichen Gebirges nun unter meinem direkten Befehl.“
„Du redest von Befehlen,“ sagte ein anderer Häuptling. „Gibt es Neuigkeiten aus dem Lodernden Hort? Was befiehlt der Meister?“
„Er ist einigermaßen zufrieden damit, wie sich die Dinge entwickelt haben,“ antwortete Korruk. „Aber vergesst niemals, dass der Lodernde alles sieht und niemals vergisst. Befolgt also brav eure Befehle! Sammelt eure Krieger und bringt sie am Schädelgipfel in Position! Sobald alles bereit ist, rücken wir zum verborgenen Tal vor.“
„Niemand kennt die genaue Lage, Korruk. Das Haus dieses Elbenabschaums hat noch kein Ork jemals finden können,“ wagte einer der Anführer einzuwenden.
„Nur die Ruhe. Der Meister wird die Lage ihres Verstecks schon bald aufgedeckt haben,“ erwiderte Korruk. „Ich werde zu ihm gehen und ihn danach fragen. Ihr habt eure Befehle. Und jetzt bewegt eure faulen Hinterteile, bevor ich meine Peitsche ziehen muss!“
Knurrend gingen die Ork-Anführer auseinander. Korruk selbst blieb noch einige Minuten an Ort und Stelle und schien, wie in Gedanken verloren, auf die klaren Wasser der Quelle zu starren. Dann ging er langsam in Richtung Norden davon.

Borin und Vallena hielten den Atem an, bis die Orks außer Sichtweite waren. Währenddessen dachte der Zwerg angestrengt darüber nach, was er soeben erfahren hatte. Das verborgene Tal der Elben jenseits des Gebirges musste Bruchtal sein, von dem Borin schon öfters gehört hatte. Wenn die Elben des Goldenen Waldes dorthin unterwegs waren, befanden sie sich auf direktem Weg in eine erneute Gefahr...
„Das ist einfach perfekt,“ sagte Vallena gut gelaunt. „Ich hätte mir keinen besseren Ausgang vorstellen können.“
„Wie bitte? Hörst du schlecht, Schatzsucherin? Diese Orks haben vor, Bruchtal zu überfallen.“
„Sie wissen nicht, wo es liegt, das hast du doch selbst gehört, Meister Borin. Ich bezweifle stark, dass selbst der Lodernde in der Lage wäre, den Schutzzauber der Elben aufzudecken.“
„Da wäre ich mir nicht so sicher. Immerhin reden wir hier von einem echten Drachen,“ entgegnete Borin. „Wir sollten die Elben warnen.“
„Borin, sei kein Narr,“ hielt Vallena dagegen. „Wir haben hier eine einmalige Gelegenheit vor uns. Wenn wir Korruk zum Hort des Drachen folgen, können wir nicht nur an seinen Schatz gelangen, sondern auch an noch mehr unschätzbare Informationen. Und vielleicht ergibt sich ja sogar die Gelegenheit, den Lodernden ganz aus der Welt zu schaffen. Selbst Drachen müssen irgendwann schlafen, verstehst du? Abgesehen davon liegt Bruchtal viel zu weit von unserer Position entfernt. Wir würden niemals vor den Orks dort ankommen.“
Borin musste zugeben, dass Vallena zumindest mit dem letzten Punkt recht hatte. Die Orks kannten die Gebirgspfade hier im Norden und würden deutlich schneller vorankommen. Er ärgerte sich darüber, nichts gegen den drohenden Angriff auf Bruchtal tun zu können und hoffte, dass die dort lebenden Elben die Gefahr rechtzeitig bemerken würden.
„Also gut,“ sagte er. „Dann folgen wir wohl Korruks Spur.“
„Siehst du, du kannst ja doch vernünftig sein,“ erwiderte Vallena mit einem breiten Lächeln. „Sehen wir also zu, dass wir den Drachenhort aufspüren, ehe die Spur wieder kalt wird.“
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8.Der Drachenhort

Der Spur des Orkhäuptlings Korruk zu folgen erwies sich zunächst als schwieriger als gedacht. Auf dem steinigen Pfad durch das Hochgebirge, den der feindliche Anführer genommen hatte, waren nur wenige Spuren zu sehen und es fiel Vallena schwer, die Richtung zu bestimmen, in die Korruk gereist war. Immer wieder mussten sie anhalten und nach kleinen, verborgenen Hinweisen zwischen den Felsen und auf dem harten Boden suchen. Und so kamen sie nur langsam voran, was Borin mehr und mehr frustrierte. Doch er wusste es besser, als seinen Ärger an Vallena auszulassen. Ohne die Schatzsucherin wäre er erst gar nicht so weit gekommen. Es sich mit ihr jetzt zu verscherzten würde bedeuten, seine einzige Chance darauf zu verlieren, einen weiteren Angriff auf das Zwergenreich zu verhindern.
Einen Tagesmarsch lang folgten sie Korruks Spur. Wenn Borins Orientierungssinn ihn nicht täuschte, verlief ihre Reisestrecke entlang einer groben nordöstlichen Linie, die sie tiefer und tiefer ins Gebirge hinein führte. Vegetation gab es in dieser kargen Region kaum, weshalb sie keinerlei Gelegenheit bekamen, ihre Nahrungsvorräte aufzustocken. Dank der häufigen Gebirgsbäche mangelte es ihnen allerdings nicht an Wasser.
Am Nachmittag des dritten Tages ihrer Verfolgungsjagd bogen sie gerade um eine große Felsnadel herum, als sich ihnen ein unerwarteter Anblick bot. Der dünne Gebirgspfad, dem sie nun folgten, fiel vor ihnen steil ins Tal hin ab und mündete in einen engen, mit bräunlichem Gras bewachsenen Kessel, der neben besagtem steilen Pfad nur zwei weitere Ausgänge hatte. Auf der anderen Seite des kleinen Tals führte ein recht breiter Durchgang nach Norden weiter ins Gebirge hinein, doch nach Osten hin öffnete sich ein gewaltiger Schlund, der aus einem Höhleneingang mit vorstehenden Seitenwänden bestand.
Vallena reagierte beinahe sofort und zerrte den verdutzen Zwerg zurück in die Deckung der Felssäule, die sie gerade umrundet hatten. Borin hatte erst gar nicht genügend Zeit gehabt, um die Bedrohung zu entdecken, die unten im Tal auf sie wartete.
„Was zum...“ begann er, doch Vallena brachte ihn hastig zum Schweigen. Tonlos bedeutete sie ihm, einen vorsichtigen Blick um die Ecke herum zu riskieren. Der Zwerg schob seinen Kopf gerade so weit hervor, um zu erkennen, dass vor dem Höhleneingang eine Gruppe von finsteren Gestalten lauerte. Es handelte sich um Orks in dunklen Rüstungen, die von einer ganz in schwarz gekleideten Gestalt mit Kapuze angeführt wurden. Es bestand kein Zweifel, dass es sich hierbei um Bewohner des Schattenlandes des Dunklen Herrschers handelte.
„Was wollen die denn hier?“ murmelte Borin und bemühte sich, keinen Ton von sich zu geben.
„Sieh nur,“ wisperte Vallena, die ebenfalls vorsichtig hinter dem Felsen hervor lugte. Borin riskierte einen weiteren Blick und erkannte, dass auch einige der hier im Gebirge heimischen Orks zu sehen waren, zumeist direkt vor dem Höhleneingang, wo sie Wache zu stehen schienen.
„Ich glaube, die Finsteren verstehen sich nicht sonderlich mit den Dienern des Drachen,“ stellte die Schatzsucherin fest. Und Borin sah, dass sie recht hatte. Beide Gruppen schienen einen Streit auszutragen, und es dauerte gar nicht lange, bis Waffen gezogen und Blut vergossen wurde.
Borin und Vallena warteten außer Sichtweite ab, bis die Kampfgeräusche verklungen waren. Als sie vorsichtig aus ihrer Deckung hervor spähten, sahen sie, dass die in Schwarz gehüllten Orks gesiegt hatten und all ihre Feinde getötet hatten. Und noch während der Zwerg hinsah, setzten sich die Sieger unter der Führung ihres düsteren Anführers in Bewegung und verschwanden durch den großen Höhleneingang.
„Los, hinterher!“ flüsterte Vallena aufgeregt. „Ich verwette den Hintern meiner Großmutter darauf, dass dort drinnen der Hort des Drachen versteckt ist. Und wenn diese Orks die Aufmerksamkeit des Hausherren auf sich lenken, können wir vielleicht ungesehen hinein gelangen.“
Borin war nicht wohl bei dem Gedanken, einem lebendigen und sehr wahrscheinlich äußerst wütendem Drachen gegenüberzustehen, doch ehe er weitere Einwände vorbringen konnte, war Vallena bereits aufgesprungen und den Weg hinab zum Eingang gesprintet. Der Zwerg stieß einen tiefen Seufzer aus, als ihm nichts anderes übrig blieb, seiner neuen Freundin zu folgen.
Eine schier endlose Reihe von Fackeln an den in den Fels gehauenen Wänden der Höhle spendete ihnen etwas Licht, als sie sich den dunklen Gang ins Berginnere hinein entlang vorwagten. In einer Entfernung hörten sie die schweren Fußtritte der Orks vor sich marschieren, was ihnen half, etwas Abstand zu wahren. Doch dann verklangen die Marschgeräusche. Vor ihnen im Gang war ein rötlicher Schein sichtbar geworden, der nicht von den Fackeln an den Wänden stammte. So leise es ging schlichen Zwerg und Mensch vorwärts, bis sie einen gemauerten, großen Torbogen erreichten. Stimmen waren von der anderen Seite zu hören.
„Wer verschafft sich unerlaubt Zutritt zu meinem Hort?“ dröhnte die unverkennbare Stimme einer gewaltigen Kreatur. Es bestand kein Zweifel, dass es sich hierbei um Rodhukar, den Lodernden persönlich handeln musste.
Eine zischende, düstere Stimme antwortete ihm. „Ein Bote des Dunklen Herrschers, Drache. Und ich würde dir raten, dir gut anzuhören, was ich zu sagen habe.“
„Korruk!“ dröhnte der Drache. „Du hast versagt. Mein ausdrücklicher Befehl lautete, dass niemand mich bei meinen Vorbereitungen zu stören hat!“
Korruk, der sich offensichtlich ebenfalls in der Gegenwart seines Meisters befand, knurrte niedergeschlagen: „Es waren zu viele von diesen Mordor-Ratten. Sie haben meine Leute überrascht.“
Der Lodernde grollte bedrohlich. Doch das war der Moment, in dem Borin sich ein Herz fasste und einen Blick ins Innere des Drachenhortes warf.
Der Gang, dem sie hierher gefolgt waren, mündete jenseits des gemauerten Portals in eine gewaltige Höhle, die nach oben offen war und einen breiten Spalt des sich zum Abend langsam verdunkelnden Himmels frei ließ. Borin vermutete, dass es sich bei dieser Öffnung um den Zugang des Drachen handelte, für den dank seiner Flügel die Höhe kein Hindernis darstellte.
Inmitten der Höhle hatten sich die Orks aus dem Schattenland um ihren finsteren Anführer herum versammelt. Ihnen gegenüber stand Korruk, Schwert und Schild kampfbereit in den Händen haltend. Und hinter dem Orkhäuptling ragte die mächtige Gestalt des Drachen auf.
Rodhrukar der Lodernde war ein geflügelter Drache mit weinroten Schuppen, die von einem inneren Glühen erleuchtet waren. Es war beinahe, als würde die Haut des Drachen, die unter den Schuppen lag, vor Hitze aufleuchten, wenn er sich bewegte. Das Monster besaß vier mit großen Klauen besetzte Beine und einen gepanzerten Schweif. Aus seinem Maul ragten lange Zähne und seine Augen waren wie zwei brennende Fackeln, die ein rot glühendes Licht von sich gaben. Der Lodernde starrte auf die orkischen Eindringlinge hinab, die er um ein Vielfaches überragte. Für den Moment schien der Drache seinen Zorn unter Kontrolle zu haben, doch Borin gefiel gar nicht, wie die Schweifspitze des Ungetüms zitterte. Er fürchtete, dass der Lodernde jeden Augenblick zum Angriff übergehen könnte.
„Wo ist der Schatz?“ wisperte Vallena beinahe unhörbar. Die Menschenfrau lugte ebenso wie Borin aus der Deckung des steinernen Durchgangs hervor und schien nicht im Geringsten von der Macht des Drachen eingeschüchtert zu sein.
Borin stellte fest, dass sie recht hatte. Von einem riesigen Haufen Gold war keine Spur zu sehen. Die Höhle war bis auf seinen Bewohner und seine ungeladenen Gäste erstaunlich leer.
„Vielleicht hat er ihn woanders versteckt, oder es noch nicht geschafft, überhaupt einen Schatz anzuhäufen,“ vermutete der Zwerg nachdenklich.
„Ein Drache ohne Schatz?“ fragte Vallena zweifelnd. „So etwas gibt es doch nicht.... oder etwa doch? Sollte ich wirklich so viel Pech haben?“
„Genug!“ donnerte der Drache und brachte ihre Überlegungen zu einem abrupten Ende. „Was wollt ihr hier, Gewürm?“
„Ich komme aus reiner Höflichkeit zu dir, Drache. Mein Meister ist nicht erfreut darüber, dass du die Orks des Gebirges dir untertan gemacht hast,“ antwortete der Gesandte der Schatten.
„Die Meinung deines Meisters schert mich nicht,“ gab der Lodernde unheilvoll zurück.
„Das sollte sie aber,“ erwiderte die düstere, verhüllte Gestalt. „Es wäre ein Fehler, den Zorn des Dunklen Herrschers auf sich zu laden. Du magst mächtig sein, Drache, aber mein Meister ist dir überlegen.“
„Du wagst es, hier einzudringen und mir zu drohen? MIR?“ brüllte der Drache, nun außer sich vor Wut. Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf und öffnete sein Maul. Heißer Dampf drang daraus hervor und Borin war sich sicher, dass sogleich Flammen hervorschießen würden.
Doch der Lodernde hielt inne. Sein Schlund schloss sich wieder und er hob die Schnauze. Es wirkte beinahe so, als würde er... schnuppern?
„Ich rieche noch mehr ungebetene Gäste,“ zischte das Ungetüm. „Ein... vertrauter Geruch. Wir sind nicht allein. Die Zwerge beobachten uns!“
„Borin!“ schrie Vallena, als sich der Drache in ihre Richtung in Bewegung setzte. „LAUF!“

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