Die Hintergrundgeschichte von s013 Ravenbrook

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Iruel
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Kapitel I
Die Zeit des Kummers


Heute ist es auf den Tag genau vier Jahre her. Vier Jahre die Henrik nun schon alleine ist.
Doch das Grab seiner Frau und seines Sohnes geht er heute nicht besuchen. Er ist schon viel zu tief versunken in die alten Bücher, von denen er sich Hilfe erhofft und weswegen ihn die anderen Bewohner von Ravenbrook meiden.

Als er vor elf Jahren in diese Stadt zog, um das Hotel seines Onkels zu übernehmen, sah die Welt noch anders für ihn aus.
Das Geschäft lief hervorragend. Wohl auch nicht zuletzt, weil das „Thornbill-Hotel“ direkt unter dem See des alten Turms der „vier Weiten“ lag. Ein Wahrzeichen der Stadt, dass von Nah und Fern auch heute noch viele Touristen anlockt und um welches die Stadt einst gebaut wurde.
Der Turm selbst gehörte zu dem Gelände des Hotels und war samt seiner alten, kleinen Bibliothek nun auch in Henriks Besitz. Viel scherte er sich zu der Zeit aber noch nicht darum. Am Bau durfte er aufgrund von Auflagen der Stadtverwaltung ohnehin nichts ändern und das Hotel forderte auch einen Großteil seiner Zeit ein.

Heute mag man es kaum glauben, aber Henrik war ein sehr geselliger Mensch. Schon nach wenigen Monaten kannte ihn fast jeder in der kleinen Stadt und selbst zu den Stadtherren hatte er gute Beziehungen.
So dauerte es auch nicht lange bis er Rena, eine Konditorin die unter anderem auch sein Hotel belieferte, kennenlernte. Sie verstanden sich auf Anhieb und schon im Sommer des nächsten Jahres heirateten sie.
Es hätte kaum besser sein können für Henrik, bis zu dem Tag als sein Sohn Loran geboren wurde. Es war einfach alles perfekt und sie lebten glücklich und zufrieden bis … naja bis zu dem Tag vor vier Jahren.

Viel klischeehafter hätte es nicht sein können, es war ein verregneter und stürmischer Herbstabend. Rena war mit Loran bei Freunden zu Besuch und gerade auf dem Weg nach Haus. Es war nur eine kurze Strecke, aber durch das schlechte Wetter konnte man kaum den Weg im Blick behalten.
So kam es, wie es kommen musste. Ein Auto, bei dem auch nur noch einer der Scheinwerfer irgendwie gerade so noch funktionierte, erfasste Frau und Kind und die Beiden waren auf der Stelle tot.

Für Henrik war nichts mehr, wie es mal war. Er aß kaum noch etwas. Zuhause wollte er nicht sein, da ihn alles an seinen Verlust erinnerte. Und in seinem Büro fand er zwar kurzzeitig Ablenkung, aber keine Zeit für sich.
So verkroch er sich mit seinen Unterlagen in die staubige Bibliothek des Turms der „vier Weiten“.
Doch der Schmerz wurde nicht weniger, wohl auch weil Henrik sich weigerte mit irgendjemanden darüber zu reden. Seine Schwester kam ab und an vorbei, aber auch sie konnte nichts erreichen. Nur ein Küchengehilfe des Hotels, der ihm etwas zu Essen brachte, sah er regelmäßig.

Die Arbeit konnte ihn nicht ständig ablenken, so fing er an die alten Bücher der Bibliothek zu lesen, vielleicht auch weil es ihm an Alternativen mangelte. Das meiste konnte er lesen, wenn auch er viele Sätze mehrmals anfangen musste. Teilweise waren die Bücher mittendrin in einer merkwürdigen, fremden Sprache geschrieben. Mit Schriftzeichen, die er noch nie zuvor gesehen hat und wohl auch kein anderer Mensch seiner Welt.

In einem der Bücher ging es um eine flüssige Energie aus dem Äther. In einem anderen um die Bewohner einer sonderbaren Welt, wo die Technologie zwar schon so weit ist wie hier, aber die Kontinente in viele Länder geteilt sind mit verschiedenen Staaten und Regierungsformen. Und in einem weiteren Buch ging es um das Überwinden von Zeit und Raum … um Zeitreisen.

In Henrik entflammte Hoffnung. Wenn er das Geheimnis dieser Bücher entschlüsseln und die fremdartige Sprache verstehen kann, könnte es ihm gelingen die Tragödie ungeschehen zu machen.



Kapitel II
Die Zeit des Eifers


Der Küchengehilfe Martin, welcher nun schon seit bald vier Jahren das Essen für Henrik den Turm hinaufbringt, fragt ihn, ob seine Schwester die bevorstehenden Renovierungsarbeiten der zweiten Etage selber leiten kann oder ob er auch mal einen Blick darauf werfen möchte. Doch Henrik interessiert das nicht. Viel zu nahe fühlt er sich seinem Ziel, also wozu da noch auf etwas Einfluss nehmen, was ohnehin keinen Bestand haben wird.

Vieles aus dem Buch verstand Henrik immer noch nicht. Die Bedeutungen der meisten Symbole und einzelnen Textfragmente konnte er sich durch verschiedene Tabellen aus den anderen Büchern herleiten. Manches blieb aber im Dunkeln. So war von einer Warnung die Rede: „Die so-und-so wachen über den keine-Ahnung-Strom, eine Störung der was-auch-immer, kann gewaltige Irgendwas zu Folge haben“. Doch er lässt sich davon nicht entmutigen, seiner Meinung nach hat er genug begriffen, um endlich anfangen zu können. Soweit er verstanden hat ist keine Apparatur oder Ähnliches notwendig, sondern eine Art rituelle Verbrennung verschiedener „Zutaten“ am Fuße des Turms.
Doch genau hier ist das Problem. Manche der Zutaten sind leicht zu beschaffen: eine Messerspitze Mehl, eine Hand voll zerstoßener Sandstein, ein kleiner Klumpen Mithrilerz und so weiter. Aber was ist ein Frosch oder ein Brooffg? Laut der Bibliothek sind das wohl Tiere. Ein Frosch ist eine Amphibie, ähnlich einem Gleim, und ein Brooffg ist nach den Beschreibungen einer Kuh nicht unähnlich. Was also tun, wenn es die benötigten Sachen hier nicht gibt?
Henrik beschließt einfach sein Bestes zu geben. Statt dem Brooffg-Horn wird es nun also das Horn einer Kuh und für die Froschschenkel muss eben das Bein eines Gleim herhalten.

Noch einmal fünf Wochen dauerte es bis Henrik alles zusammen hatte. Mithril und Mehl hat ja jedes zweite Geschäft auf Lager, aber er konnte nicht ahnen wie schwer es ist knapp zwei Meter burgunderfarbenen Leinenstoff aufzutreiben.
Nachdem er alles beisammen hatte, wartete er noch bis zum Abend. An der Rückseite des Turms kam selten mal jemand vorbei, sodass er hier nahezu ungestört alles aufbereiten konnte. Nach dem was er entziffern konnte, muss man nur die Ingredienzien in der richtigen Reihenfolge in einer großen Eisenschale verbrennen und abwarten.

Henrik befolgte die Anweisungen so gut er konnte und beobachtete dann den aufsteigenden Rauch. Die ersten fünf Minuten tat sich nichts besonderes. Doch dann wandelte sich die dichte Rauchsäule von Schwarz in Weiß, erst am höchsten Punkt wurde der Qualm wieder Schwarz und begann den Himmel zu verdunkeln. Mittlerweile hatten auch Andere den Rauch bemerkt. Eine der Angestellten alarmierte auch die Feuerwehr.
Henrik wies die Anwesenden mit energischem Ton an nichts zu unternehmen, da er alles unter Kontrolle hätte und keine Gefahr drohe.
Unterdessen stieg immer mehr Rauch auf. In der Schale schien auch nichts mehr zu sein. Selbst Feuer war keins zu sehen. Nur die dichte helle Rauchsäule, die unaufhörlich in den Himmel stieg und diesen weiter bedeckte.

Martin kam nun auch dazu und fragte was hier los sei. Henrik entgegnet, dass es hier nichts gibt um das er sich Sorgen machen müsste. Martin schaute ihn aber nur ungläubig an und ging auf die rauchende Schale zu, um sie umzustoßen und so den vermeintlichen Brand zu löschen. Henrik hielt ihn aber auf und betonte noch einmal, dass hier keine Gefahr drohe.
Kaum hatte er das gesagt begannen blau leuchtende Blitze aus der Schale in den pechschwarzen Himmel zu schießen. So schnell wie das begonnen hatte, hörte es aber auch wieder auf und auch der Rauch hörte nun auf aus der Schale empor zu steigen.

Martin hatte genug, er trat gegen die Eisenschale um weiteres zu verhindern. Doch es gab nichts mehr zu verhindern. Das Ritual war beendet.

Mit einem lauten Knall erschien eine riesige, blaue Kristallkugel am Himmel, die sich mit einer enormen Geschwindigkeit auf die am Boden versammelten Menschen zu bewegte nur um dann knapp zwei Meter über dem Boden zum Stillstand zu kommen, direkt über dem Kopf von Henrik.

Während die Anderen noch voller Angst waren von einem riesigen Himmelsball zerquetscht zu werden, überlegte Henrik nicht lange, denn er wusste was zu tun war. Er müsste nur nach der Kugel greifen und könnte dann Kraft seines Willens die Zeit nach seinen Wünschen verändern. Er würde an den Tag vor vier Jahren zurückreisen, seine Familie retten und endlich wieder glücklich sein können.

Henrik legte seine Hand auf die ihm zugewandte Seite der Kugel und für einen Moment schien die Zeit um ihn herum still zu stehen. Den Leuten um ihn herum stand immer noch die Angst im Gesicht aber nichts bewegte sich, nur er selbst schien nicht erstarrt zu sein. Henrik fasste all seinen Mut zusammen und begann sich auf sein Ziel zu konzentrieren. Er spürte wie sich um ihn herum eine Art Energie begann aufzuladen und dann plötzlich stieß aus der Kugel eine Druckwelle, die Henrik einige Meter fortschleuderte.

Mittlerweile hatten auch die Schaulustigen größtenteils die Fassung gewonnen und traten von dem eigenartigen Gebilde zurück. Martin lief zu dem leicht benommenen Henrik um nach ihm zu sehen.

Die Kristallkugel begann sich allmählich durch die Luft zu bewegen. Zunächst ganz langsam, dann immer schneller. Man konnte sehen, wie sie sich bewegt und dann kurz still an einer Stell verharrte bevor es weiterging. Sie war so schnell, dass man fast meinen könnte sie würde hier verschwinden und dort wieder auftauchen. Ab und zu hörte man laute Geräusche, als ob der große Ball aus dem Himmel irgendwo in der Stadt wahllos im Boden einschlug.
Auch der Boden fing an zu beben, aber nicht wie bei einem gewöhnlichen Erdbeben, vielmehr schien sich der ganze Boden von der Erdoberfläche zu lösen.

Die meisten Anwesenden verfielen in große Panik und wussten nicht was sie tun sollten.
Auch Henrik und Martin waren ratlos. Was wird nun passieren?



Kapitel III
Die Zeit im Sturm


Gemeinsam mit einigen Angestellten und Gästen des Hotels, sowie ein paar armen verirrten Leuten, die ihnen auf dem Weg begegneten, gelang es Henrik und Martin zur Gemeindehalle der Stadt zu gelangen. Die massive Bauweise des Gebäudes sollte sie vor Schlimmerem bewahren, so hofften sie.

Viele der Leute hatten große Angst, doch Henrik nicht. An ihm begannen Schuldgefühle und Zweifel zu nagen. Was hat er da nur angerichtet?

Ein Kind aus der Menge schrie auf und blickte erstaunt mit weit aufgerissenem Mund nach draußen in den Himmel. Kurz darauf sahen auch andere hinauf und konnten nicht glauben was sich ihnen da bot. Niemandem ist es bisher aufgefallen und dass obwohl die ganze Zeit schon eine bedrohliche, riesige Kugel über ihre Köpfe schoss. Der Rauch hatte sich vollständig verzogen und der ganze Himmel, samt den Sternen, schien sich um sie herum zu bewegen, als ob sie in einem Raumschiff durch das All rasen würden.

Martin packte Henrik bei den Schultern und fragte ihn was sie nun tun könnten, doch er hatte keine Idee. Irgendwas müsste doch in den alten Büchern stehen, irgendwas das helfen würde. Doch Henrik schüttelte den Kopf. Er hat fast vier Jahre über diesen Büchern gebrütet, würde etwas darin stehen das helfen könnte, würden sie es nicht in ein paar Minuten oder Stunden herausfinden.

Die Unterhaltung der Beiden wurde schnell unterbrochen, eine gewaltige Erschütterung und ein grelles Licht erfasst die ganze Umgebung. Das laute Knallen der Kristallkugel verstummte. Stattdessen stand sie nun regungslos hoch in der Luft und ein merkwürdiges Licht pulsierte in ihr. Es war auch plötzlich nicht mehr Nacht, sondern taghell und die Sonne stand am Himmel oder viel mehr - beide Sonnen?

Die Verwirrung der Leute stieg an. Zwei Sonnen, was ist hier nur los?

Martin hielt dies nun für die perfekte Gelegenheit sich auf den Rückweg zum Turm zu machen und in den Büchern nach Antworten zu suchen. Auch wenn es ewig dauert, irgendetwas müssen sie ja tun.

Er hatte Henrik schon am Arm gepackt und war auch schon gut drei Meter mit ihm auf die Straße gelaufen, da veränderte die Kugel schon wieder ihr Verhalten. Sie hörte auf mit dem Leuchten und begann wieder unkontrolliert durch die Gegend zu sausen.
Auch der Himmel wurde wieder dunkel und die Sterne rauschten an ihnen vorbei.

Die Beiden gingen schnell wieder zurück in die Gemeindehalle und nun traute sich niemand mehr hinaus.

Das Spektakel wiederholte sich immer wieder: die ganze Umgebung schien losgelöst von der Erde durch die Gegend zu fliegen, nur um sich einige Zeit später in einer unbekannten Welt niederzulassen.
Diese Welten schienen sehr unterschiedlich zu sein und sie trafen wohl auch jedes Mal zu anderen Uhrzeiten dort ein. Einmal war der Himmel ganz grün, als ob er von einem dichten Wald bedeckt war. Beim nächsten Mal war es wohl gerade Morgen geworden und allen stieß frische Seeluft in die Nase.

Nach einigen Stunden wusste keiner mehr so recht wie oft sie das jetzt nun schon durchgemacht haben, sicherlich waren es zehn bis fünfzehn Besuche in fremden Welten. Da begann sich etwas zu verändern. Es war ein kurzer aber ohrenbetäubend lauter Knall zu hören, der nichts mit dem bisherigen Lärm zu tun hatte.
Alle rannten zu einem nahe gelegenen Fenster, um zu sehen was vor sich ging. Der große Platz vor der Gemeindehalle ermöglichte freie Sicht und einen guten Überblick über die nähere Umgebung.

Inzwischen überraschte hier kaum noch jemanden was. Aber einen gigantischen grünen Lindwurm, der über die Dächer und durch die Straßen der Stadt hetzte, ließ den Leuten schon den Atem anhalten.
Es fiel erst gar nicht auf, aber wenn man genau hinsah konnte man erkennen, dass der schlangenähnliche Drache versuchte hektisch die Kristallkugel einzufangen. Das Ganze hatte auch weniger mit einem Hund gemeinsam, der seinem Spielzeug nachjagt. Vielmehr ging es dem Wesen wohl um Leben und Tod.

Die Anwesenden Mitglieder der Stadtverwaltung hätten sich wohl spätestens jetzt einige Gedanken um die ganzen Reparaturkosten gemacht, doch die ganze Situation war so fernab von allem was man für wirklich halten konnte, dass daran gar nicht zu denken war.

Die ganze Jagd des Wesens war nicht wirklich immer genau zu verfolgen. Ab und an konnte man sehen, wie es sein Ziel kurz mit dem Maul schnappen konnte, ehe es ihm wieder entglitt und bunte Funken an den Stellen versprühte, welche die Fangzähne gerade noch gestreift haben.

Doch seine Chance sollte kommen. Gerade kam das unfreiwillig gewordene Weltenschiff wieder an einem neuen Ort an und die Kristallkugel blieb starr, hoch oben über dem „Turm der vier Weiten“, stehen. Der Drache schlängelte sich um den Turm herum, hielt sich mit seinen Vorderläufen am Dach des Turms fest und packte den „Übeltäter“ mit seinem kräftigen Maul.
Das Licht in der Kugel wurde schwächer, so wie schon viele Male zuvor. Doch nun geschah - nichts.
Die lauten Geräusche waren fort, die Sonne Stand im Zenit und der Himmel war blau und klar.

Der Drache schien sich auch nicht mehr zu bewegen, wie festgefroren hing er am Gebäude.

Eine gute Stunde ist seitdem vergangen. Langsam trauten sich die Menschen, welche sich in der Gemeindehalle versteckt hatten, heraus um sich umzusehen.

Alle waren ziemlich erleichtert, dass der Schrecken nun wohl ein Ende hat. Aber was sollte nun werden? Waren sie, nachdem was sie gesehen hatten, überhaupt noch in ihrer eigenen Welt? Haben es noch mehr Leute geschafft sich in Sicherheit zu bringen? Das Handynetz und auch die Festnetztelefone in der Nähe waren tot.

Die beiden Stadtherren kamen nun auch dazu. Sie schlugen vor Gruppen zu bilden, um die Umgebung zu erkunden und nach Hilfe zu suchen.



Kapitel IV
Die Zeit der Ankunft


Die Meisten wollten lieber in der Nähe der Gemeindehalle bleiben, aber ein paar Freiwillige konnten sich dennoch finden. Henrik, Martin, die beiden Stadtherren und zwei Leute vom Sicherheitsdienst des Kaufhauses machten sich auf den Weg.

Henrik und Martin gingen zusammen los und wollten sich den Westen der Stadt genauer ansehen. Besonders Henrik war viel daran gelegen herauszufinden, was sein unüberlegtes Handeln angerichtet hat.
Sehr weit kamen die beiden aber nicht. Schon nach ein paar Straßenzügen tat sich vor ihnen ein schmaler Spalt im Boden auf. Aus ihm stiegen fremdartige schwarze Steine auf, umgeben von einem violetten Licht. Hinter dem Spalt war nicht, wie sie es erwartet hatten, das Schwimmbad und der Botanische Garten, sondern eine kleine Siedlung aus Holz- und Steinhütten, mitten in einem Fichtenwäldchen.
Die zwei wollten das genauer erkunden und hievten ein paar dicke, herumliegende Holzbretter über den Spalt, um leichter hinüber gelangen zu können. Martin fiel auf, dass die Häuser zwar sehr altmodisch gebaut waren, aber ansonsten den Eindruck machten, als würden sie nicht länger als zehn oder zwölf Jahre dort stehen und regelmäßig instand gesetzt werden.
Gerade gingen sie näher auf eines der Häuser zu, um hineinschauen zu können, da sprang die Tür plötzlich auf und eine wütende Frau mit einer Eisen-Axt in der Hand stürmt auf die beiden Männer zu. Sofort sollen sie da weggehen, verlangte sie, die Axt hoch erhoben. Henrik war wohl nicht weniger verwundert als Martin, doch ihm fiel auf, dass sie wohl in einer Art Gemüsebeet standen und die Frau möglicherweise deswegen solch einen Aufstand machte. Er zog Martin von dort weg und entfernte sich mit ihm etwas von dem Haus, das schien zu helfen und die Frau beruhigte sich.

Nach diesem Erlebnis hatten die beiden erstmal genug und machten sich auch schon auf den Rückweg, vielleicht haben die anderen bereits schon etwas herausgefunden. Sie hatten schon gut die Hälfte des Weges geschafft, da ließ sie ein gewaltiger Knall zusammenzucken. Die beiden sahen sich wissend an, sie hatten schon eine grobe Ahnung was das bedeuten könnte.
Und tatsächlich, etwas weiter in der Ferne sahen sie einen gewaltigen, blau-geschuppten Drachen mit gigantischen Flügeln über der Gemeindehalle zur Landung ansetzen. Henrik und Martin nahmen die Beine in die Hand, um schnell wieder bei den anderen sein zu können, auch wenn das bedeutet noch näher an die eben erschienene Kreatur heranzukommen.

Als sie endlich etwas näher waren, war der Drache schon auf dem Dach gelandet und begann seinen Kopf zu den am Boden stehenden Leuten herunterzustrecken. Scheinbar waren die anderen wirklich schon von ihrer Erkundung zurück, aber hoffentlich will das Ungetüm sie nicht fressen.
Die beiden blieben stehen und auch die anderen Menschen entfernten sich etwas von der Kreatur. Der Drache drehte seinen Kopf in Henriks Richtung und sprach.
„Ah, da ist ja das Menschlein, dass für dieses Chaos verantwortlich ist. Was hast du dir nur dabei gedacht?“
Alle waren sprachlos. Es kann sprechen? Was passiert hier denn nur?
„Ach jetzt schau nicht so überrascht, mit DIR rede ich! Erzähl schon, was hat dich dazu getrieben?“, fragte der Drache erneut.
Henrik fühlte sich schrecklich und war sehr beschämt. Er fiel auf die Knie und bat um Entschuldigung, er dachte er tut das Richtige.
„Das Richtige? Ja es ist oft schwer zu erkennen was richtig und was falsch ist, wenn man so viel Verzweiflung im Herzen trägt wie du.“, entgegnete der Drache.
Martin ging nun dazwischen und wollte wissen wer er eigentlich ist und was hier vor sich geht.
„Ja Verzeihung, ich sollte mich wohl erst einmal vorstellen.“ Der Drache räusperte sich etwas und fuhr fort.
„Ich habe in dem Sinne jetzt keinen Namen, jedenfalls keinen den man mit Lauten aussprechen kann. Als wir das letzte Mal mit Menschen zu tun hatten nannte man mich dort nur Ronix. Wenn es euch gefällt, könnt ihr mich auch so nennen.“

Ronix zog seine hellblauen, fast durchsichtigen Flügel etwas an, senkte den Kopf weiter zu den Leuten herunter und erklärte weiter.
„Ich bin der erste Hüter des Raum-Zeit-Stroms. Ein empfindliches Gewebe zwischen den Welten und den Zeitaltern, welches dein Freund hier durch seine unbesonnene Tat beachtlich verletzt hat.“
Er hebt seinen Arm und deutet mit den Klauen auf den regungslosen, grünen Drachen, der immer noch um den Turm gewickelt war.
„Dies ist einer der anderen Hüter. Er war zuerst hier und es gelang ihm wohl die Leitsphäre zu bannen. Bei richtiger Handhabung kann man mit einer Leitsphäre relativ sicher durch Zeit und Raum reisen, doch diese hier wurde nur von sich selbst kontrolliert und hat eure Stadt sowie zahllose andere Landstriche durch die Äonen und Welten gerissen.“

Die Anwesenden begannen zu verstehen wie ernst die Lage war und einige begannen aufgeregt miteinander zu tuscheln.
Einer der Stadtherren richtete nun das Wort an den Hüter Ronix. Er wollte wissen, wie es denn nun weitergehen kann und ob noch weiteres Unheil droht.

Der Drache schaute etwas nachdenklich und sprach dann. „Ihr habt hier zwar ein ganz schönes Chaos angerichtet, aber von uns habt ihr nichts zu befürchten - falls du das gemeint hast. Eure Stadt, oder besser gesagt der Teil davon in dem ihr hier steht, befindet sich nun eben in einer anderen Welt. Wo und wann genau dieses ‚hier‘ ist, müsst ihr selbst herausfinden.“
Ronix hob zur Lockerung wieder etwas die Flügel und redete weiter. „Durch die Brüche im Raum-Zeit-Strom könnte es sein, dass noch weitere Hüter angelockt werden und es hier in der Stadt in Zukunft etwas eng wird, aber das sollte kein Problem sein. Nach Haus in eure Welt werdet ihr aber so schnell nicht können, erst muss die Sphäre wieder abkühlen und völlig zur Ruhe kommen. Es sieht vielleicht nicht danach aus, aber sie enthält noch große Mengen Energie“. Ronix räusperte sich wieder. „Ich werde aber hier bleiben, bis das geschehen ist. Vermutlich wird es nicht länger als ein paar Jahrzehnte dauern, macht euch also keine Sorgen.“



Und dies war die Geschichte, wie die Stadt Ravenbrook samt ihren Bewohnern auf eine Zeitreise geschickt wurde und in einer fremden Welt gestrandet ist.
In den nächsten Tagen reisten einige Bewohner in die umliegenden Städte und fanden heraus, dass sich dieses Land das „Land der Elder“ nennt und vorwiegend, aber nicht ausschließlich, von Menschen bewohnt wird. Außerdem verwenden die Bewohner dieser Welt noch Antik anmutendes Münzgeld, dass sie Taler und Groschen nennen. Es wird wohl für alle eine große Herausforderung darstellen sich an dieses neue Leben zu gewöhnen.
Zuletzt geändert von Iruel am 22. Nov 2020, 14:55, insgesamt 2-mal geändert.
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